Mittwoch, 2. November 2011

Besuch aus Deutschland


Wow, das Leben kann so schön sein und dies vor allem im Urlaub! Vor mehr als zwei Woche war ich mal wieder in Accra, aber diesmal hatte meine Anreise einen etwas anderen Hintergrund, der auch dazu führte, dass ich mich am Freitag, den 14.Oktober 2011 um 21.45 Uhr am Flughafen meiner neuen Hauptstadt einfand. Schon relativ nervös wartete ich geschniegelt und gestriegelt und besonders hübsch gemacht in der Empfangshalle, um einen ganz besonderen Menschen hier in Ghana willkommen zu heißen.
Wie das so im Leben ist, nutzt einen der beste Plan nichts, denn das Leben kommt anders als man denkt. So geschah es auch, dass man sich ganz kurz vor einem einjährigen Auslandsaufenthalt verliebte und nun auf unterschiedlichen Kontinenten lebt. Doch um die 12 Monate nicht all zu lang werden zu lassen, hat der Oliver sein Mädchen besucht, um mit ihr das fremde, ferne Land zu entdecken.
Nachdem wir einige Tage in Accra verbrachten, ging es dann endlich mit dem Trotro los gen Central Region, sprich meine Heimat. Die Fahrt war glaube ich der erste große Kulturschock für ihn. Nicht nur, dass wir mit zwei großen Rucksäcken in einem 40 Menschen Trotro eingepfercht waren, sondern zu allem Überfluss war der Fahrer des Sammeltaxis von Swedru nach Nyakrom lebensmüde und bretterte mit gefühlten 250 km/h durch metertiefe Schlaglöcher. Naja, der erste Eindruck war dann wohl nicht der beste. Aber egal, davon lassen wir uns ja nicht den Tag vermiesen. Wir waren also endlich bei mir zu Hause und ich konnte ihm einige für mich wichtig gewordene Menschen vorstellen und ihm zeigen, wie sich hier mein Leben gestaltet. Da ich aber noch viel mit ihm vor hatte, blieben wir nur einen Tag und unsere Reise sollte uns, nach nervenaufreibendem Drängeln meiner besseren Hälfte, nun ans Meer führen.
Der erste Stop war Cape Coast. Da leider mein Lieblings Guesthouse gerade neu gemacht wird, mussten wir wo anders schlafen. Die Baracke hieß Samos und nicht die Tatsache, dass wir die ganze Zeit kein Wasser hatten, dass die Toilettentür nicht zu ging und die Türverriegelung fragwürdig erschien, sondern schlechthin, dass es einfach endlos keimig war, veranlasste uns dazu so früh wie möglich wieder dort abzureisen. Nach einem gechillten Vormittag im Oasis machten wir uns dann weiter: aber natürlich small, small. Wir kamen gerade mal kurz hinter Elmina und entdeckten einen wunderschönen, fast einsamen Strand für uns: Brenu Beach. Oliver hat hier sehr viele Dinge über sich lernen können: zum einen, dass ein kalkweißer Junge die ghanaische Mittagssonne ohne Sonnencreme nicht so gut verträgt, wie viel Haut man durch einen Sonnenbrand verlieren kann, dass er es schafft 3 Mal am Tag Lobster zu essen (er hätte es wahrscheinlich auch 9 Mal geschafft ;-) ) und dass man eine Kamera auch nach 4 Tagen wieder bekommen kann, wenn man sie im Sand hat liegen lassen. Da dieses Fleckchen Erde so schön war, der Hummer so gut schmeckte und wir warten wollten, bis Oliver nicht mehr selbst wie ein gekochter Hummer aussah, blieben wir einen weiteren Tag dort. 



Da ich aber bewaffnet mit dem Reiseführer am Pläne schmieden war, ging es dann auch gleich weiter nach Takoradi. Die Unterkunft war mal wieder ein Abenteuer, denn zunächst dachten wir noch, dass das Wasser auf dem Boden vom Wischen kam. Als wir uns aber nach einigen Stunden in einem Meer befanden, stellte sich heraus, dass es nicht eine eifrige Putzfrau war, sondern eine fehlerhafte Aircondition. Zum Schlafen reichte es und in mir wuchs immer mehr die Idee eine witzige Unterkunftskritik über jeden Schlafplatz an dem ich bin zu schreiben. Hier erlebt man immer so viele witzige Dinge, ich denke das wär bestimmt schön zum Lesen :-D Ich werde die Idee verfolgen!
Dann ging es mit dem Trotro weiter nach Axim, denn wir wollten nach Ankobra Beach. Also was soll man über dieses Erlebnis schreiben: Sagen wir es war speziell, denn irgendwie kamen wir auf die Idee zu laufen. Kurz bevor irgendetwas das man als Straßenähnlich bezeichnen konnte aufhörte, erspähten wir noch einen riesen großen, aufgemotzten neuen Porsche Turbo und dann ging es eine Felswand herab. Komisch kam uns das schon vor, aber naja… der Weg bzw. die Hinweise der Einwohner führten uns durch ein ziemlich ärmliches und dreckiges Fischerviertel und dann plötzlich ein Bach aus Dreck, Abwasser, Müll und die Brücke die da drüber führte kaputt. Oh man, hier höre ich besser auf… Ende der Geschichte, wir mussten wieder da hin wo wir her kamen um ein Taxi zu nehmen und haben uns gleich nach der Ankunft gründlich desinfiziert. Kurze Zeit danach saßen wir an diesem touristischen Strand und haben einen wunderschönen Bungalow gehabt. Als wir dort saßen, konnten wir genau sehen wo wir her kamen. Zwei Welten neben einander, doch die in der wir gerade ein Bier trinkend saßen war die surreale, die nichts mit jener der meisten ghanaischen Bevölkerung zu tun hat, bis auf dasselbe Wasser, das an den Strand gespült wird. Soviele Paradoxa und Gegensätze auf so engen Raum.
Nach diesem Erlebnis konnte ich leider Oliver nicht mehr so ganz von einer Weiterreise in den unerschlossenen Teil Ghanas überzeugen. Also machten wir uns noch ein paar wunderschöne Tage am Meer und in Accra, bevor es wieder hieß Lebewohl. Den ganzen Freitag war mir schon spei übel und als wir dann am Flughafen waren, rollten die Tränen dann auch schon wie Sturzbäche. 9,5 Monate bis zum Wiedersehen – eine lange Zeit, doch ich bin mir sicher, dass sich das warten lohnt 



Meist kommt das Leben anders als man denkt (Artikel der Thüringer Allgemeine)




Ich lebe jetzt schon zwei Monate hier in Ghana. Ein Land, welches auf seine eigene Art und Weise faszinierend und schön ist und welches mich durch seine Besonderheiten immer wieder aufs Neue in seinen Bann zieht. Vorbei ist nun die Eingewöhnungsphase und begonnen hat mein Arbeitsleben.
Als am 16. August 2011 meine Füße das erste Mal den ghanaischen Boden betraten und ich nach Nyakrom, meinen neuen Wohnort, fuhr, war ich voll und ganz auf die Arbeit in einem Umweltprojekt eingestellt. Doch wie das Leben so manchmal spielt, kam es anders als gedacht. Da nicht genügend Gelder zur Verfügung stehen, können geplante Projekte nicht umgesetzt werden. Da Zusammenarbeit jedoch an vielen Stellen sinnvoll erscheint und ich hier her gekommen bin, um meinen Erfahrungshorizont zu erweitern, haben wir gemeinsam im Youth an Environment Club beschlossen, dass ich zunächst in einer Schule unterrichten werde, da mein abgeschlossenes Lehramtsstudium eine gute Voraussetzung für einen interkulturellen Unterricht bietet.
So kam es, dass ich mich am 12. September 2011 auf dem Schulgelände der A.D.A Primary and Junior High School einfand, um Französisch und Creative Arts zu unterrichten. Eine Fächerkombination, die selbst noch heute für mich kaum vorstellbar ist. Wie jeder Tag begann auch dieser mit einer Vollversammlung, bei welcher die Schüler in Reih und Glied stehen, um zu Trommeln die Nationalhymne zu singen und anschließend gemeinsam zu beten. Im Zuge dieses zeremonielle Zusammentreffen hatte ich auch die Möglichkeit mich allen vorzustellen und zu meiner großen Freude, konnte ich in viele lächelnde Gesichter schauen, als sie erfuhren, dass nun für ein Jahr eine Oburoni – weiße Frau – an der Schule sein wird. Mittlerweile habe ich sogar das Vergnügen, an vier verschiedenen Schulen unterrichten zu dürfen.
Ich liebe es hier zu sein, jedoch wird mir jeden Tag bewusster, wie privilegiert ich in Deutschland aufgewachsen bin. Die Klassenzimmer, in denen ich unterrichtet wurde, waren gut ausgestattet und abgesehen von dem klasseneigenen Geräuschpegel, gab es so gut wie keine akustischen Störungen. Hier sieht das Schulgebäude etwas anders aus. Es ist ein von Wellblech überdachtes Gelände, in denen Holzbänke stehen und in dem die Klassen nur durch die Tafel von einander getrennt werden. Auch die Schülerzahl stellt eine große Herausforderung da. Während in Deutschland eine Klasse mit 28 Kindern bzw. Jugendlichen schon als zu groß gilt, sind in den ghanaischen Schulen 40 Schüler zumeist das Minimum. In meinen Klassen sind in der Regel 50 Schülerinnen und Schüler, jedoch habe ich auch einige Mädchen und Jungen kennengelernt, die in den letzten Jahren gemeinsam mit 140 anderen Schülern unterrichtet wurden. Wie dies möglich ist, frage ich mich jedesmal, wenn ich wieder damit beschäftigt bin, dass mir alle zuhören bzw. auf ihren Platz sitzen bleiben sollen.
Es gibt aber noch andere große Herausforderungen im Schulalltag. Zum einen das Unterrichten an sich, da dieses auf Englisch erfolgt. Das Problem ist nicht unbedingt, dass ich diese Sprache so wenig beherrsche, sondern dass die Muttersprache hier in diesem Gebiet Fanti ist und Englisch nur die Amtssprache, die man erst in der Schule lernt. Da ich aber ab der dritten Klasse aufwärts unterrichte, ist es äußerst schwierig es zu schaffen, dass die Schüler verstehen, was ich von ihnen will, insbesondere da ich einen vollkommen anderen englischen Akzent habe, was mir vor allem zu Beginn meines Aufenthalts selber enorme Verständnisprobleme bereitete. Momentan herrscht in meinem Kopf manchmal ein ziemliches Durcheinander, da ich deutsch denke bzw. mich auch in meiner Muttersprache mit Robin, einem anderen Freiwilligen, unterhalte, auf englisch die französische Sprache unterrichte und versuche nebenbei Fanti und Twi zu lerne.
Selbst das Normalste der Welt ist hier für mich manchmal problematisch, da es weder Strom und Wasser, noch sanitäre Anlagen auf dem Schulgelände gibt. So heißt es zumeist für mich: „Denke erst nach, was du demnächst machst, bevor du trinkst oder isst.“
Die größte Herausforderung für mich sind jedoch einige Facetten des Schulsystems. Wie bereits erwähnt, ist es nicht leicht, so große Klassen zu unterrichten, weshalb manchmal auf, für mich nur aus der Vergangenheit bekannte Sanktionsmaßnahmen, zurückgegriffen wird. Das ist die schwerste Frage überhaupt, wie soll man als Gast in einem fremden Land auf so etwas reagieren, ohne die Autorität des anderen zu verletzen oder als belehrend zu wirken.
Aber Ghana ist ein aufstrebendes Land und man merkt zunehmend einen neuen Wind, der immer stärker die Segel eines stolzen Schiffes bläht. Junge Lehrer mit Träumen und Ideen, die weg wollen, vom bloßen auswendig lernen und zur Selbstständigkeit und Praxisbezogenheit streben. Wie so oft fehlt es nur leider zumeist an Mitteln und Geldern.
Falls Sie einen kleinen Beitrag zur Unterstützung der Arbeit hier in Nyakrom leisten wollen, würde ich mich sehr freuen, genauso über das Lesen meines Blogs.
Empfänger:                          VNB e.V.             
Kontonr:                               8444103
BLZ:                                      25069503
Verwendungszweck:          Projekt Weltwärts, Bianca Hinneburg










Dienstag, 11. Oktober 2011

Das kommt mir irgendwie französisch vor!


Als ich mich Ende letzten Jahres für ein Jahr in Ghana entschied, habe ich mich für ein Umweltprojekt beworben, für welches ich glücklicherweise auch angenommen wurde. Aber wie es so oft ist, kommt es im Leben anders als gedacht. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass nicht nur die Gelder des Projektes begrenzt sind, sondern demzufolge auch der Arbeitsbereich. Aus diesem Grund entschieden wir gemeinsam, dass ich zunächst in einer Schule, aus denen nun vier geworden sind, als Lehrerin tätig sein soll. Die Fächer waren damals noch nicht ganz klar, jedoch freute ich mich sehr auf die Arbeit mit den Kindern. Nachdem bekannt wurde, dass ich französisch lernte, wurde ich zu meiner großen Überraschung als Französischlehrerin auserkoren. Ich und französisch: das ist genauso skurril wie einen Elefanten in der Arktis anzutreffen. Aber man wächst bekanntlich an seinen Herausforderungen und nach mehr als einem Monat kann ich sagen, dies hat ein sehr schlauer Mensch gesagt. Ich muss zwar sehr hart büffeln, aber auch mein französisch wird immer besser.

Generell ist es sehr erstaunlich, dass in Ghana, welches umzingelt von frankophonen Staaten ist, so gut wie niemand französisch lernte, was auch der Grund ist, weshalb die Schulleiter der vier verschiedenen Schulen, an denen ich nun unterrichte, in meinem Aufenthaltsjahr eine Chance sehen. Also heißt es nun umdenken, denn was nützt den Schülern hier die Kenntnis einer Frankreich-französischen Kultur. Daher wird in den Beispielen aus Paris Lomé, die Hauptstadt von Togo, gemacht und aus Baguette das traditionelle Westafrikanische Gericht Fufu.

Es macht wirklich sehr viel Spaß, da die Schüler hier wirklich lernen wollen, insbesondere die höheren Klassen. Sie saugen praktisch jedes Wort von meinen Lippen und auf der Straße werde ich mit: „Bonjour Madame Bianca ça va?“ angesprochen. Dennoch komme ich nicht Drumherum mich manchmal zu fragen: Was mache ich nur hier? Ich bin kein ausgebildeter französisch Lehrer und dennoch stelle ich mich vor eine Klasse mit der Gefahr, dass ich jene Fehler, die ich selber mache an insgesamt 400 Schüler weiter gebe. Aber vielleicht ist es eine Chance. Zum einen, die sich den Schülern ermöglicht, um die Grundkenntnisse des französische zu erlernen, um sie später vertiefen zu können, aber vor allem für mich, die an einer großen Herausforderung wächst – zumal der französisch Unterricht auf englisch erfolgt, was umdenken fordert. Wie sich alles entwickelt kann ich jetzt noch nicht sagen, jedoch bin ich dankbar über jeden weiteren Tag, an dem ich hier sein darf und an dem ich jeden morgen aufs neue von strahlenden Kindergesichtern begrüßt werde, die mir sagen: „Madame Bianca but today you come to us to teache french.“

Montag, 10. Oktober 2011

Fünf Sinne: Fühlen


Eigentlich wollte ich den nächsten Post der Fünf-Sinne-Cinqologie zu dem Gebiet Sehen machen und hatte eher die Frage, was ich denn eigentlich zu dem Bereich des Fühlens schreiben soll. Zwar ist die Haut unser größtes Organ, jedoch ist das Wahrgenommene nicht leicht bzw. schnell beschrieben. Nach dem heutigen Tag weiß ich aber ziemlich genau, was ich schreiben werde.

Es ist halb elf abends gerade bei mir und ich komme gerade aus der Dusche. Nicht weil ich die Woche noch nicht geduscht habe – nein, das tat ich heute allein schon drei Mal - ,sondern weil ich heute einfach nur klebe. Eigentlich spielt es gar keine Rolle, ob man gerade aus der Dusche kommt oder nicht, man ist einfach nur nass. Ich rede hier von solch hohem Wassergehalt, dass man noch nicht einmal die Beine überschlagen kann, da das obere immer wieder abrutscht. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo die Feuchtigkeit her kommt: Kommt sie aus mir heraus, oder lagert sie sich einfach nur von der Luft an meinem Körper ab.
Meine Familie nennt mich immer nur Sonnenanbeterin, denn ich liebe die Sonne und sowohl Hitze, als auch Wärme machen mir gar nichts aus und die Worte schwitzen und Bianca sind in keinen semantisch logischen Zusammenhang zu bringen. Auch hier habe ich im Gegensatz zu Robin keine Probleme. Jedoch ist irgendwann bei mir dass Fass auch übergelaufen. In der Regel ist es hier bewölkt, doch heute hat sich die Sonne durch das dicke Wolkenfeld gekämpft und gleich einen Temperaturunterschied von gefühlten 20°C herausgeboxt. Trockene Luft wäre die eine Sache, doch hier fühlt man sich, als nehme man ein heißes Bad. Um die Mittagszeit ist es logischer Weise am heißesten, weshalb um diese Zeit auch alle ausgiebig Siesta machen, doch ich war heut beschäftigt. Zuerst bin ich durch Swedru gedüst und hab Einkäufe erledigt und dann bin ich hier von mir zu Hause zu Ottilie gelaufen. Da hier die Entfernungen relativ weit sind, laufe ich eben schneller, um nicht 1,5 Stunden zu brauchen, sondern nur 45 Minuten. Daher konnte ich heute nur zwischen nass und klitschnass sein unterschieden.

Da ich aber nicht nur Sonnenanbeterin, sondern auch Frierkatze genannt werde, gibt es natürlich selbst hier andere Tage. Ich bin wahrscheinlich die erste Weiße, die hier im Süden Ghanas des Öfteren mit Pullover rumläuft. Den Tag als ich in Cape war, brauchte ich sogar zwei in der Nacht. Für mich ist es sehr komisch, denn wenn man in einem Hostel übernachtet, dann findet man dort keine Decken vor. Schlafen ohne Decke: Vollkommen unmöglich! Egal wie kalt oder wie warm es ist, mindestens ein Stofffetzen muss meinen Körper bedecken und gerade in den Nächten die nur 22°C haben, brauche ich es zumindest unter der Bettdecke kuschlig warm. Nein im Ernst, abgesehen davon, dass ich die ein oder andere regnerische Nacht tatsächlich meinen dünnen Schlafsack aufgrund der Temperatur brauchte, kann ich selbst bei tropischen Klima nicht ohne ihn. So pflegen wir beide in der Regel eine Hassliebe zu haben: ich kann meist nicht mit ihm, aber auch nicht ohne ihn.

Doch trotz der Wärme, die einem so manchmal zu schaffen macht, gibt es nichts schöneres, als eine frische Brise Wind auf der leicht feuchten Haut und ein eiskaltes Getränk auf den trockenen Lippen zu spüren!

Sonntag, 4. September 2011

Fünf Sinne: Hören



Auf besonderen Wunsch meines liebsten Schwesterherzchens werde ich in diesem Post ungefiltert auf meine Sinneseindrücke eingehen, denn der Mensch, wie seit Jahrhunderten bekannt ist, definiert sich zumeist zwar durch seine Ratio, kann aber seine Existenz als Sinnenwesen und dessen Dominanz niemals leugnen. Also versucht euch einfach in mich hineinzuversetzen und meine Impressionen als die eurigen wahrzunehmen.

Hören
Zarte, spirituelle Stille – gibt es hier nicht. Ich denke oft an unseren Thüringischen Buchen- bzw. Mischwald in den Morgenstunden, wenn die Nacht noch verträumt zwischen, den Zweigen schlummert, die Tropfen des Taus die Gräser und Blätter für den anbrechenden Tag in vollen Grün erstrahlen lässt und die Feuchtigkeit des Bodens den Duft von Erde, Natur und Wald freigibt. Man lauscht in die Welt hinein und an das Ohr klingt eine beruhigende Stille. Nur wenn man die Luft anhält, darf man Zeuge des schüchternen Waldes werden, aus dem man leise einige Vogelklänge wahrnimmt. Ein Bild, das Eduard Mörike in seinem Gedicht Frühling versucht zu erfassen und bei all seiner sprachlichen Begabung, doch nicht vermag, die umfassende majestätische Allgegenwart eines für mich dort existierende Göttlichen, in seiner vollen Schönheit wiederzugeben. Noch viel stärker kommt dies im Winter zum Ausdruck, wenn der frische Schnee alles in einen langen Schlaf hüllt und das unversehrte Weiß auf die Reinheit und Unberührtheit hinweist.
Hier in der Natur zu sein bedeutet etwas vollkommen anderes. Wenn man es polytheistisch ausdrücken will, könnte man sagen, dass in unseren Wäldern der Gott der Spiritualität und Besinnung und hier der Gott des Lebens und der Üppigkeit zu Hause ist. Man steht in einem immergrünen Wald, dessen großen, Chlorophyll getränkten Pflanzen sich nicht nur um einen, sondern auch übereinen wie eine große Kathedrale erstrecken. Man hat fast den Eindruck, als wolle der Wald mit seiner Undurchdringbarkeit versuchen, seine Geheimnisse zu bewahren. Dem Neugieren wird nur durch ein musikalisches Konzert erlaubt, etwas über das vor dem Blick verborgene zu erahnen. Der Dirigent ist der Wind, der den Rhythmus durch das klangvolle säuseln der Blätter vorgibt. Der Takt wird von den tausenden Grillen und Fröschen angegeben, die einer lauter als der andere versuchen das Orchester der Gemeinschaft in vollem Glanze erstrahlen zu lassen. Die Violinen werden von den zahl- und facettenreichen Vögeln gespielt, die auch die schwersten und variierenden Melodien inbrünstig und voller Stolz spielen. Ein Konzert, das nicht nur durch seinen Klang bezaubert, sondern einen die Schönheit und Kraft des Lebens Tag und Nacht vor Augen führt.

Ähnlich verhält es sich in der Stadt bzw. in den Dörfern. Während Bleicherode und zahlreiche weitere Städtchen in Deutschland manchmal den Eindruck eines Dornröschenschlosses erwecken, auf dessen Bewohner sich vor 21 Jahren ein tiefer Schlaf legte und die nun in ihren Träumen hoffnungsvoll darauf warten, dass ein starker, junger Held sengende Hitze und eisige Winde übersteht, auf seinen weißen Ross angeritten kommt und den bösen Zauber bricht, fühlt man sich hier eher wie auf der großen Freudenfeier, die nach dem erlösenden Kuss zelebriert wird und auf der jeder das Leben an sich feiert. Die Stille eines verschlafenen Dörfchens wird schon allein durch das Orchester des Waldes, das von Nah und Fern durch die Straßen drängt, verbannt. Überall stehen, sitzen und laufen die Menschen, deren herzliches Lachen, Gespräche, Rufe oder aber auch Streitigkeiten die Wege belebt. Während man im Wald das Orchester der Tiere und der Natur genießen kann, schallt durch die Ortschaft das Konzert der Gemeinschaft. Überallher dringt eine laute Geräuschkulisse an das Ohr. Ich wohne hier in Nyakrom in einem Viertel namens Side. Das Haus steht auf einen Hügel und wenn ich abends auf der Terrasse sitze und die Nacht genieße, dann höre ich aus der Stad klingende, laute Gottesdienste. In einer unglaublichen Lautstärke schlängelt sich die ghanaische Hiplife- und Highlife-Musik den Hang zu mir herauf. Das Herz der Stadt schlägt mit den vibrierenden Trommelschlägen, die von irgendwoher schallen und das rauschende Blut wird durch leidenschaftliche Gesänge abgelöst. Die Grillen und Frösche, als stünden die verschiedenen Bigbands im Wettstreit zueinander, versuchen mit aller Kraft immer lauter zu werden um nicht überhört zu werden. Und dann, von dem gegenüberliegenden Hügel ertönen die magischen Gebetrufe einer Moschee. Die Melodie der Stadt heißt Leben.

Auch in unserem Haus, abgesehen von den Geräuschen der Natur und der Stadt, die durch den Innenhof und die offenen Fenster in jedem Moment allgegenwärtig sind, existiert keine Ruhe. Ab spätestens morgens um 6 Uhr beschallt Radiomusik oder der Fernseher durch die Gänge bzw. Zimmer. Wir sind hier zu neunt im Haus, weshalb immer jemand von Frühs bis spät abends redet oder irgendeinen Krach macht. Auch die Sprache Twi bzw. Fanti ist eine sehr kräftige, laute Sprache, weshalb sie immer intensiv und manchmal für mich etwas forsch ertönt. Vor kurzem hat mir Robin Ohropax gegeben, damit ich besser schlafen kann: Es war schrecklich. Ich fühlte mich hier so unwohl ohne die gewohnte Akustik, dass ich sie sofort wieder raus machen musste. Am Anfang war zwar die Geräuschexplosion ungewohnt und befremdlich, doch jetzt gibt sie mir ein Gefühl der Vertrautheit und Sicherheit, denn man weiß mit jedem Atemzug und Lauschen, dass man nicht allein und isoliert ist, sondern ein Teil des Lebens.

Please, turn off the light - Meine Erfahrung mit der "Lighthouse Chapel International"


Ghana ist super religiös, das ist ein Fakt. Jeder, aber auch wirklich jeder gehört hier einer religiösen Gemeinschaft zu. An den meisten Autos und Häusern findet man Gottesbekenntnisse. Eigentlich etwas schönes, jedoch sind auch einige sehr amüsante dabei. Auf einem fast auseinanderfallenden Taxi, dessen Fahrer einen selbst für ghanaische Verhältnisse rasanten Fahrstil hatte, stand in fetten Buchstaben: „Trust God“ und vor einer neu entstehenden Wohnsiedlung, in der ein Haus an dem anderen klebt und bei deren Bau nicht an fließend Wasser oder Kanalisation gedacht wurde konnte man: „God never fails“ lesen. So liegt es auch an der Tagesordnung, dass man sehr oft angesprochen wird, welcher Kirche man zugehört. Im Gegensatz zu meiner bisherigen Unterscheidung des christlichen Glaubens in evangelisch und katholisch, begegne ich hier mannigfacher Separationen. Es gibt hier tausende Bibelinterpretationen, nach denen tausende Kirchen gegründet werden. Sehr viele interessant finden sich hier runter, aber auch einige äußerst kuriose.

Vorgestern Abend saßen Robin und ich in einem Spot und erzählten, als zwei endzwanziger Männer sich zu uns gesellten. Es stellte sich heraus, dass Brother Kingsley und Isaac Prayer in der christlich religiösen Gemeinde namens Lighthouse Chapel International sind. Der Abend war wirklich sehr spannend! Ich, die ohnehin wahnsinnig interessiert an Überzeugungen, Begründungen und generell Religion - jedoch vor dem Hintergrund eines genauen Reflektierens – ist, lauschte den Worten des Brothers sehr genau, bis schließlich das immer häufiger werdende: „But…“, „Have you ever think about…“, „You have to sepperate…“, „There is a differenz…“ ertönte. Ein Wortgefecht folgte dem nächsten. Der Abend neigte sich dem Ende und ich ging nachdenklich ins Bett.

“Mr. Google knows everything!” (da hatte Frau Plaumann völlig recht) Daher konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Lighthouse Chapel International 1985 von einem Medizinstudenten namens Dag Heward-Mills, dessen Vater Ghanaer und Mutter Schweizerin ist, gegründet wurde. Zuerst war es nur ein kleiner Gebetskreis, dann machte er sich selbst zum Prediger, dann zum Reverand und schließlich `94 zum Bischof. Nach seiner Vorstellung ist Europa gottlos, daher auch der Name Lighthouse, denn der Glaube soll allen Verlorenen Seelen als Leuchtturm in der Finsternis dienen. Ziel ist die Wiedermissionierung Europas: „The spiritually alive sections of the world have shifted from Europe to the poorer and more deprived parts of the world. Today, Europe is the seat of Satan, with most people of the continent being atheist or non-believers. There is now a great need for us to reach out to such parts of the world. […] It looks as through the responsibility of spreading the Gospel has shift from Whites to men of colour.” (Vgl. Dag Heward-Mills: Win the Lost at any cost, Perchment House 2001, S. 52).
Leben wäre nur halb so spannend, wenn man sich nicht auf Neues einlassen kann. Daher gingen Robin und ich gestern in die Freitagabendmesse. Eigentlich traue ich mich gar nicht die Geschehnisse niederzuschreiben, da ich hier wirklich keine Vorurteile erschaffen will, aber es war so prägend, dass ich es einfach mitteilen muss.

Die Messe sollte eigentlich um 19.00 Uhr beginnen und eine Stunde dauern. Da wir gerade als wir gehen wollten von Madame Sey noch zum Fufu eingeladen wurden, waren wir erst kurz vor acht da. Überraschenderweise waren wir die ersten, denn es hatte noch gar nicht angefangen. Die „Kirche“ oder besser Gemeindehaus – da es nicht mit meiner Vorstellung von Kirche konform geht – war eine Bretterhütte mit Wellblechdach, die kaum größer als mein erstes WG-Zimmer war. Vorne stand ein kleines Rednerpult in der Mitte, rechts eine übergroße, alte Box und links ein Keyboard und zwei Trommeln. Wir wurden wahnsinnig freundlich begrüßt und dann auf zwei der ca. 30 Plastegartenstühle platziert. Wir saßen also direkt an der Tür, weshalb ziemlich schnell eine riesen Traube von Kindern um die Kirche stand und uns beobachtete. Dann ging es los:

Brother Kingsley und Isaac schnappten sich die Mikrofone und summten, schrien, ´sangen‘. Und jetzt stelle man sich einen Polly Pocket großen Raum vor, in  dem man lediglich 2 Meter von dem Redner getrennt sein kann und dann kann man mein Gefühl, das ich hatte, sehr leicht erraten, als das ohnehin ohrenbetäubende Geschrei durch eine riesige, übersteuerte und total kratzende Box in einer Lautstärke, die man wahrscheinlich auch noch in der Schweiz hörte, denn da gibt es das Lighthouse auch, an meine scheuen Ohren drang. In diesen Krach stimmten noch Gemeindemitglieder ein, die nach einer nicht erkennbaren Rhythmik schreiende, herauspressende Laute von sich gaben, oder unkontrolliert Tasten des Keyboards drückten, bzw. manchmal konnte man die Tonleiter erklingen hören. Die Tatsache, dass irgendetwas nicht mit dem Lautsprecher funktionierte und daher ständig die kratzenden Stimmen unterbrochen und durch ein lautes Rauschen abgelöst wurden, ließ mich noch mehr an der Seriosität der Veranstaltung zweifeln. Selbst wenn ich geschrien habe, konnte mich Robin, der direkt neben mir saß, nicht verstehen. Als wenn das nicht schon als Tageserfahrung reichen würde, multiplizierte sich die Kuriosität der Veranstaltung durch den Ablauf und Inhalt der Messe, denn das war erst der Anfang.
Sechzig Minuten sollte die Freitagabendmesse dauern. Die ersten 15 Minuten wurden mit der eben beschriebenen Szenerie ausgefüllt. Nachdem die eben erläuterte Aufwärmphase beendet wurde, folgte der erste Teil der Predigt, der von Brother Kingsley gehalten wurde und 4 Minuten dauerte. Genau wie zuvor fiel das Mikro, denn er konnte ja seine Rede nicht normal halten, denn dann hätten ihn die Menschen des ganzen Umkreises nicht hören können, permanent aus. Er musste sich deshalb selbst unterbrechen und wirkte ziemlich an genervt. Aufgrund der bisherigen Szenerie saß ich auf meinen kleinen Plastestuhl und schmunzelte ein wenig in mich hinein. So leid es mir wirklich tat, konnte ich mir jedoch ein Lachen bei dem darauffolgenden 30-minütigen musikalischen Programm nicht verkneifen. Die beiden Brothers stimmten wieder ein, doch diesmal durfte jeder mitmachen. Also schnappte sich jeder der 8 anwesenden Gemeindemitglieder irgendein Instrument (Pakaschen, Trommeln, Keyboard) oder Mikro und stimmte sich mit eigenen Gesängen und Schreien ein. Alles wurde durch Tanzen begleitet. Den Rhythmus konnte man jedoch nur durch einen kleinen ca. 5-jährigen Jungen finden, der auf zwei Trommeln in solch einer Genauigkeit und Perfektion spielte, dass einem die Kinnlade runter gefallen ist. Leider wurden diese beeindruckenden Klänge durch die Schreie, Rufe, technische Fehler, etc. permanent überlagert. Ein ganz kleiner, süßer Junge, der zuerst noch von seiner Mum auf den Rücken getragen wurde, erforschte nun die Welt. Er hatte gerade erst Laufen gelernt und wackelte unsicher aber sehr zielstrebig durch die tanzende, ekstasierte Menge hindurch direkt zu den Trommeln, an denen er sich dann fest hielt bzw. selber an den Trommelkörper trommelte. Er war so niedlich und bildete mit seiner ruhigen Erscheinung ein komplettes Gegenbild.
Während der bereits vergangenen Messe, sammelten sich immer mehr Kinder am Eingang des Gemeindehauses, denn in Nyakrom sind wir mit unserer weißen Hautfarbe ein seltener Anblick. Die Anzahl der Kinder, die uns mit interessierten Blicken verfolgten, erreichte ein Optimum von 40 und mehr, als wir uns in das Programm einbringen sollten, d.h. auch tanzen, singen oder ein Instrument spielen. Tja, gesagt getan: wir haben uns voll zum Klaus gemacht. Alles schien so surreal zu sein bzw. ist es auch jetzt noch für mich. Irgendwann nahm dann die Einlage sein Ende und man saß wieder auf den Stühlen. Jetzt folgte eine ca. 10-minütige Predigt von Brother Isaac. Diesen Part fand ich sehr spannend, denn sie erfolgte in Twi oder Fanti – da bin ich mir nicht so sicher. Ich konnte also keines seiner Worte verstehen, jedoch erfolgt Kommunikation nicht nur durch das verstandene Wort. Die Sprachunwissenheit gab mir die Möglichkeit, mich auf Pragmatik, Akustik und non-verbale Kommunikation zu konzentrieren. Brother Isaac, ein schmaler, junger Mann, der einen halben Kopf kleiner ist als ich und mir gegenüber immer sehr zurückhaltend war und dessen englische Worte immer sehr leise an mein Ohr treffen, tigerte nun, das Mikro in der Hand haltend im vorderen Bereich des Gemeindehauses rum. Die weichen Gesichtszüge verschwanden und ungehalten, wild gestikulierend schrie er seine Predigt ins Mikrofon. Zwischendurch hörte man gelegentlich ein paar Leute jubeln. Alle 20 Sekunden ertönte von ihm ein „Halleluja“, was die Menge kopfnickend mit einem lauten „Armen“ kommentierte. Ich fragte Brother Kingsley, was denn der Inhalt der Rede sei und er übersetzte mir, dass erst wenn man sich Gott völlig hingegeben hat, man sich auch selbst genießen kann. Auf die Frage was noch gesagt wird, wiederholte er seine Übersetzung nur.

Endlich fand das Spektakel ein Ende und ich fühlte mich erlöst. Ein paar Mädchen stürmten noch zu mir und händeschüttelnd unterhielten wir uns noch und tauschten wie üblich Nummern aus.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis mein Gehör sich wieder erholte. Nachdem Robin und ich die Impressionen ein wenig verdauten und zu reflektieren begannen, wurde ich von ein paar Kindern zum Zuckerrohrkauen eingeladen, was mich die kuriosen Geschehnisse vergessen ließ und mich in die Realität zurück holte: Ich bin genau da, wo ich auch sein will!

Freitag, 2. September 2011

Ihr Name ist Ottilie

Der Tag von dem ich berichten will, begann nicht sehr außergewöhnlich, außer, dass ich unglaublich müde war, da ich die Nacht nicht schlafen konnte. Daher kenne ich jetzt die ghanaischen Schafe mit Namen und ihren persönlichen Daten, sowie die Anzahl der kleinen Löcher meines Moskitonetzes. Tagsüber wurde dann das ein oder andere gelesen und ich versuchte mich ein wenig in Twi. Erst der späte Nachmittag bzw. Abend wurde dann richtig interessant.

Nach einer Hitzewelle, die überraschend Nyakrom gegen die Mittagszeit erreichte, gingen Robin und ich in die Stadt, mit dem Ziel eine Frau namens Ottilie zu treffen. Sie ist eine deutsche Rentnerin, die seit 8 Jahren hier in Nyakrom, jedoch abseits der Stadt lebt. Mit Hilfe ihrer kleinen Rente baut sie hier ein Projekt für die Kinder nach dem anderen auf. Begonnen hat alles mit einem Projekt der deutschen Regierung für schwer erziehbare Jugendliche, was zwar erfolgreich war, dessen Förderung jedoch eingestellt wurde. Sie arbeitete früher im Max Planck Institut und sagte mir, sie habe sich dazu entschlossen nach Ghana zu gehen, um irgendetwas Sinnvolles in ihrem Leben zu machen. Zwar halte ich ihre da vorige Tätigkeit für sehr wichtig, jedoch muss ich zugeben, dass ihre nachhaltigen Projekte hier wirklich etwas bewegen: etwas, dass man sehen, anfassen und erleben kann.

Nachdem das Projekt für die schwer erziehbaren Jungendlichen eingestellt wurde, suchte sie nach weiteren Möglichkeiten etwas in ihrem Umfeld zu leisten. Sie mietete ein großes Grundstück mit zwei Gebäudekomplexen am Nyakromer Stadtrand, und verwandelte diese Fläche in ein wahres Paradies. In dem einen Gebäude befinden sich nun ein Klassenzimmer und mehrere Schlafräume, in denen sie Kinder bzw. Jugendliche wohnen lässt. Das andere Haus ist ihre Wohnfläche, wobei diese auch von allen anderen genutzt wird und ringsherum ist sehr viel wunderschön gepflegter Garten. Da das ghanaische Schulsystem nicht so etwas wie Arbeitsgemeinschaften kennt und die jüngeren Schüler mit der Schule gegen Mittag fertig sind, wollte sie gerne einen kreativen und praktischen Raum schaffen, in denen die Kinder Hobbys entdecken, künstlerisch und sportlich tätig sein oder einfach mal nur Kind sein und ausgelassen im Garten rumtoben können. Da ihr auffiel, dass viele der Kinder, wenn sie bei ihr ankamen, den Tag immer noch nichts gegessen hatten, versorgt sie auch vor Beginn eines jeden Nachmittags ihre Sprösslinge (pro Woche ca. 300) mit einer ordentlichen Mahlzeit.

Als ich sie traf werkelte sie gerade in einem ihrer neuen Projekte. Selbstbewusst und taff erzählte sie von einer Berufsschule für Mädchen, die gerade entsteht. Darüber hinaus sind gerade zwei weitere große Gebäudekomplexe auf einem weiteren Grundstück in Bau, in denen eine Civoleé Schule entstehen soll. Sie hat zwar mittlerweile Unterstützung bekommen, doch generell managet und finanziert sie alles selbst. Ihr einziger Wunsch gilt der Nachhaltigkeit der Projekte und ihr Fortbestand, wenn sie sich mal nicht mehr um sie kümmern kann.

Wenn wir jetzt öfter abends gemeinsam im Garten sitzen erzählt sie mir von dem langen und sowohl schönen, als auch schweren Weg, den sie bereits gegangen ist, denn nicht immer war es leicht, den nötigen Respekt und die erforderliche Anerkennung zu bekommen oder gegen aufkommende Hürden und in den Weg gelegte Steine anzukommen. Doch trotz gelegentlicher Bedenken ist sie dennoch froh, diesen Weg gegangen zu sein und hier mit den Kindern in einem kleinen geschaffenen Paradies zu leben.

Ab den ersten Moment unserer Begegnung war ich von ihr als Person begeistert und von ihrer Stärke beeindruckt. Es ist wunderschön zu sehen, dass es Menschen gibt, die für andere einstehen und sich dafür selber zurück nehmen. Ich hab die Ehre, ihr jetzt auch helfen zu können. Zwar ist es nicht die NGO für die ich hier arbeiten soll, aber der Tag hat genug Stunden, um beides unter einem Hut zu bekommen. Mein erster Schritt ist nun nachmittags in einer AG und wenn die Berufsschule öffnet  auch in ihr Französisch zu unterrichten. Ich freu mich schon sehr darauf: Es ist eine Chance zu lernen!

Dienstag, 30. August 2011

Spiel mir das Lied vom Tod


Ich hab lange überlegt, ob ich diesen Beitrag wirklich schreiben soll. Würde er nicht vielleicht ein Vorurteil in den Köpfen der Leser bestätigen? Ja bestimmt, aber das soll er nicht!!! Es ist eine witzige Geschichte, die mich eine Weile beschäftigte und die sich an jedem Ort der Welt abspielen könnte und es wahrscheinlich auch tut – ausgenommen der Arktis. Also erfreut euch an der Story und bitte vergesst nicht, ich schreibe gern witzig, das heißt mit kleinen und größeren Übertreibungen und es ist mal wieder eine Single Story!

Als Robin und ich hier in Nyakrom ankamen fragte er mich, ob ich denn vor irgendetwas Angst hätte. Selbstverständlich nicht – dachte ich zu dem Zeitpunkt zumindest. Zu unserer Unterkunft gehört eine große, geräumige Küche, die allerdings schon mehrere Jahre nicht mehr benutzt wurde. Am ersten Wochenende was wir hier verbrachten, war die Familie Sey zu einer Hochzeit eingeladen und daher nicht im Haus. Neugierig und umgestaltungswütig wie ich nun einmal bin, nutzte ich die Gelegenheit, um mich in der Küche zu Recht zu finden. Als ich in die Schränke schaute und Kartons mit brauchbarem Inhalt fand, wollte ich ein bisschen sortieren und alles griffbereiter hinstellen. Beim Ausräumen des Geschirrs, insbesondere der Gläser, viel mir aber auf, dass diese wie bei einem typischen, mir bekannten Frühjahrsputz im Gartenhäuschen aussahen. „Naja, dann spülst du die mal schnell ab und erledigt.“, dachte ich mir. Nicht ganz. Als ich den ersten Karton aus dem Schrank nahm, krabbelte eine verschreckte Kakerlake unkontrolliert auf mich zu. Abgesehen davon, dass ich barfuß war und sich in Zehntelsekunden die Vorstellung in mir etablierte, ich könnte auf sie treten und was das dann für ein ekelhaftes Gefühl und Geräusch wäre, da sie bereits eine Horrorgröße von mindestens 4cm angenommen hatte, ließ mich ihre bloße Erscheinung zum quieken und davon laufen bringen.

Hallo, mein Name ist Bianca und ich habe Angst vor Kakerlaken.
Schreiend rannt ich also zu Robin, der gar nicht wusste wie ihm geschah, als ich schweißgebadet an seine Tür hämmerte. Er, der starke Mann, musste nun seine Rolle als Beschützer wahrnehmen und das kleine Tierchen, welches er sehr interessant fand, aber mir wie in King Kong Größe erschien, entfernen. Ich wollte zwar nicht, dass es in der Küche ist, aber totgemacht sollte es auch nicht werden. Daher entschieden wir es einzufangen oder besser ich entschied das Robin es einfängt, während ich einen ausreichenden Sicherheitsabstand von 150m einnahm. Im Glas sah das Tierchen wirklich sehr spannend aus, aber wahrscheinlich auch nur, weil ich wusste, dass es so nicht das gleiche tut, wie in meinen Alpträumen und zwar mir spontan ins Gesicht zu springen.

„Ignorance is a bless!“ Ein wahrer Spruch aus der Matrix! Hätte ich das erste Tierchen niemals gesehen, wäre mir alles egal gewesen. Da sich meine Unwissenheit jedoch innerhalb kürzester Zeit in eine Riesenkakerlake verwandelte, konnte ich nicht anders, als alles auszuräumen, auszuwischen, zu spülen und zu sortieren. Da sich mein Weg gleich zu Beginn beim Auspacken des ersten Kartons wieder mit einem Tierchen kreuzte, beauftragte ich Robin auszuräumen.
Während in meinem Kopf die Dornenbuschballen im Rhythmus des Windes durch die leeren, staubigen Straßen der Wohnung rollten, aus der Ferne das Lied vom Tod gespielt wurde und die Augen vor Anspannung zusammengekniffen von rechts nach links schnellten, spuckte Robin den Kautabak herausfordernd aus und zückte heldenhaft wie John Wayne seine Colts namens Schuh und Zeitung, um den Schurken todesmutig ins Anglitz zu blicken. Als die Waffen knallten, musste nur noch die Schweinerei, die das Duell hinterließ beseitigt werden. Das ganze Spektakel dauerte ca. 5 Stunden und alles was übrig blieb war Schall und Rauch. Unser verursachtes Chaos wurde behoben und ich gehe jetzt unglaublich gerne in die Küche und koche.

Hallo, mein Name ist Bianca und ja, ich habe Angst vor allen größeren Insekten, die unkontrolliert in meine Nähe kommen.