Mittwoch, 2. November 2011

Meist kommt das Leben anders als man denkt (Artikel der Thüringer Allgemeine)




Ich lebe jetzt schon zwei Monate hier in Ghana. Ein Land, welches auf seine eigene Art und Weise faszinierend und schön ist und welches mich durch seine Besonderheiten immer wieder aufs Neue in seinen Bann zieht. Vorbei ist nun die Eingewöhnungsphase und begonnen hat mein Arbeitsleben.
Als am 16. August 2011 meine Füße das erste Mal den ghanaischen Boden betraten und ich nach Nyakrom, meinen neuen Wohnort, fuhr, war ich voll und ganz auf die Arbeit in einem Umweltprojekt eingestellt. Doch wie das Leben so manchmal spielt, kam es anders als gedacht. Da nicht genügend Gelder zur Verfügung stehen, können geplante Projekte nicht umgesetzt werden. Da Zusammenarbeit jedoch an vielen Stellen sinnvoll erscheint und ich hier her gekommen bin, um meinen Erfahrungshorizont zu erweitern, haben wir gemeinsam im Youth an Environment Club beschlossen, dass ich zunächst in einer Schule unterrichten werde, da mein abgeschlossenes Lehramtsstudium eine gute Voraussetzung für einen interkulturellen Unterricht bietet.
So kam es, dass ich mich am 12. September 2011 auf dem Schulgelände der A.D.A Primary and Junior High School einfand, um Französisch und Creative Arts zu unterrichten. Eine Fächerkombination, die selbst noch heute für mich kaum vorstellbar ist. Wie jeder Tag begann auch dieser mit einer Vollversammlung, bei welcher die Schüler in Reih und Glied stehen, um zu Trommeln die Nationalhymne zu singen und anschließend gemeinsam zu beten. Im Zuge dieses zeremonielle Zusammentreffen hatte ich auch die Möglichkeit mich allen vorzustellen und zu meiner großen Freude, konnte ich in viele lächelnde Gesichter schauen, als sie erfuhren, dass nun für ein Jahr eine Oburoni – weiße Frau – an der Schule sein wird. Mittlerweile habe ich sogar das Vergnügen, an vier verschiedenen Schulen unterrichten zu dürfen.
Ich liebe es hier zu sein, jedoch wird mir jeden Tag bewusster, wie privilegiert ich in Deutschland aufgewachsen bin. Die Klassenzimmer, in denen ich unterrichtet wurde, waren gut ausgestattet und abgesehen von dem klasseneigenen Geräuschpegel, gab es so gut wie keine akustischen Störungen. Hier sieht das Schulgebäude etwas anders aus. Es ist ein von Wellblech überdachtes Gelände, in denen Holzbänke stehen und in dem die Klassen nur durch die Tafel von einander getrennt werden. Auch die Schülerzahl stellt eine große Herausforderung da. Während in Deutschland eine Klasse mit 28 Kindern bzw. Jugendlichen schon als zu groß gilt, sind in den ghanaischen Schulen 40 Schüler zumeist das Minimum. In meinen Klassen sind in der Regel 50 Schülerinnen und Schüler, jedoch habe ich auch einige Mädchen und Jungen kennengelernt, die in den letzten Jahren gemeinsam mit 140 anderen Schülern unterrichtet wurden. Wie dies möglich ist, frage ich mich jedesmal, wenn ich wieder damit beschäftigt bin, dass mir alle zuhören bzw. auf ihren Platz sitzen bleiben sollen.
Es gibt aber noch andere große Herausforderungen im Schulalltag. Zum einen das Unterrichten an sich, da dieses auf Englisch erfolgt. Das Problem ist nicht unbedingt, dass ich diese Sprache so wenig beherrsche, sondern dass die Muttersprache hier in diesem Gebiet Fanti ist und Englisch nur die Amtssprache, die man erst in der Schule lernt. Da ich aber ab der dritten Klasse aufwärts unterrichte, ist es äußerst schwierig es zu schaffen, dass die Schüler verstehen, was ich von ihnen will, insbesondere da ich einen vollkommen anderen englischen Akzent habe, was mir vor allem zu Beginn meines Aufenthalts selber enorme Verständnisprobleme bereitete. Momentan herrscht in meinem Kopf manchmal ein ziemliches Durcheinander, da ich deutsch denke bzw. mich auch in meiner Muttersprache mit Robin, einem anderen Freiwilligen, unterhalte, auf englisch die französische Sprache unterrichte und versuche nebenbei Fanti und Twi zu lerne.
Selbst das Normalste der Welt ist hier für mich manchmal problematisch, da es weder Strom und Wasser, noch sanitäre Anlagen auf dem Schulgelände gibt. So heißt es zumeist für mich: „Denke erst nach, was du demnächst machst, bevor du trinkst oder isst.“
Die größte Herausforderung für mich sind jedoch einige Facetten des Schulsystems. Wie bereits erwähnt, ist es nicht leicht, so große Klassen zu unterrichten, weshalb manchmal auf, für mich nur aus der Vergangenheit bekannte Sanktionsmaßnahmen, zurückgegriffen wird. Das ist die schwerste Frage überhaupt, wie soll man als Gast in einem fremden Land auf so etwas reagieren, ohne die Autorität des anderen zu verletzen oder als belehrend zu wirken.
Aber Ghana ist ein aufstrebendes Land und man merkt zunehmend einen neuen Wind, der immer stärker die Segel eines stolzen Schiffes bläht. Junge Lehrer mit Träumen und Ideen, die weg wollen, vom bloßen auswendig lernen und zur Selbstständigkeit und Praxisbezogenheit streben. Wie so oft fehlt es nur leider zumeist an Mitteln und Geldern.
Falls Sie einen kleinen Beitrag zur Unterstützung der Arbeit hier in Nyakrom leisten wollen, würde ich mich sehr freuen, genauso über das Lesen meines Blogs.
Empfänger:                          VNB e.V.             
Kontonr:                               8444103
BLZ:                                      25069503
Verwendungszweck:          Projekt Weltwärts, Bianca Hinneburg










1 Kommentar:

  1. Tolle Sache! Ich hoffe, du hast weiterhin Spaß und Geduld! Macht Spaß deinen Blog zu lesen!

    Herbstliche Grüße aus Deutschland,

    Vermie

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