Samstag, 21. Januar 2012

Bianca on Tour – Teil 2


Was bisher geschah…

Bianca machte sich erfolgssicher auf den Weg in den Westen Ghanas. Durchgeschwitzt erreichte sie mit den schön klapprigen Tro-Tro und zwei mutigen Kameraden Takoradi , bis sich plötzlich der fiese VISA-Automat der Ecobank sich ihr in den Weg stellte, der rücksichtslos ihr Geld einbehielt. Doch immer an das Gute glaubend, setzte sie ihr Abenteuer fort, bis sie sich schließlich bei Einbruch der Dunkelheit im Märchen des Ankasa-Nationalparks wiederfand.


Es war dunkel und bereits vor einigen Stunden ließen wir jegliche Geräusche, die auf Menschen hinwiesen, hinter uns. Was nun erklang war nichts weiter als Natur in ihrer Reinform. Die Zikaden schrieen förmlich ruhelos in die Nacht und wurden nur von Fledermaus-, Buschbaby- und Affenrufen noch übertönt. Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn nicht richtig einschlafen konnte, das diese unglaubliche Geräuschkulisse für den westlichen Städtler noch fremd und dadurch manchmal etwas beunruhigend wirkte.

Am nächsten Morgen ging es dann los. Wir trafen uns mit dem Ranger und beschlossen uns die Bambus-Kathedrale anzuschauen, weshalb wir die fast 10 km Fussmarsch durch den Nationalpark gleich in Angriff nahmen. Die hiesige Flora und die urigen Wege waren schon eine beeindruckende Sache für sich, doch konnten sie bei weitem nicht an das Naturschauspiel herankommen, was uns mitten in diesem Park erwartete. Riesige, vereinzelte Bambusgruppen erstreckten sich wie ein architektonisch perfektes Kathedralengewölbe über unsere Köpfe und ein kleiner, glasklarer Fluss durchzog diese Szenerie. Als dann noch einzelne gut sichtbare Sonnenstrahlen durch die Bambusstangen fielen, war mir klar, dass ich mich in diesem Moment an einen der majestätischen Orte dieser Welt befand.

Durchgeschwitzt erreichten wir dann nach 18 km wieder den Parkeingang und nahmen das Angebot, ein Bad in einem Flussstrom zu machen dankend an. Ein unglaublicher Abschluss, bevor wir unsere Reise fortsetzen wollten, denn auch hier, hatte Gott die Welt geküsst. So ließen wir das kalte Wasser unseren Körper umspühlen und sammelten neue Kräfte für das, was uns noch erwarten sollte.

Auf ging es nun nach Beyin, ein winzig kleines Nest an der Westküste Ghanas. Allein der Weg dorthin war die Reise schon wert, denn wir holperten über Lehmpisten, dem Meer entlang und sahen, wie sich nicht nur die Landschaft, sondern auch das Leben der Menschen im Vergleich zu der Gegend in der ich nun wohne, veränderte. Mal wieder war es kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als wir endlich unsere Tagesetappe erreichten und wie der Zufall es so wollte, trafen wir einen jungen, netten Mann, der zwei Zimmer vermietete. Wir wollten einfach nur irgendwo unterkommen, aber was uns dort erwartete… damit hätten wir nicht gerechnet. Zuerst erstreckte sich in unserem Sichtfeld ein endloser, wunderschöner Strand, der durch seine besondere Lage sogar ausgezeichnet zum Baden geeignet war und dann, 4 Meter vom Wasser entfernt, ein kleines Bambus-Häuschen auf Stelzen. Ich kam mir vor wie in dem Film „The Beach“, nur dass ich zu meinem Glück keinen Leo oder eine Sekten ähnliche Gemeinschaft brauchte. Also rein ins Wasser und genießen. Der Abend hatte aber noch eine riesige Überraschung für uns geplant. Man muss sich vorstellen, ein kleines verlassenes Dörfchen in dem der Hund, trotz der tropischen Temperaturen, erfroren war, 3 Mädels, die sich ausgehungert schon mit dem Gedanken abgefunden haben, wieder Banku und Stew aus Tüten am Straßenrand zu essen, stehen plötzlich vor einem wunderschönen, gemütlichen, richtigen spanischen Restaurant. War es eine Fata Morgana, da wir zu lange der Sonne ausgesetzt waren? Kann das wirklich sein, vor allem, da man ein so gut gearbeitetes Restaurant nur seltenst in der Accra findet, wieso dann mitten im Nirgendwo? Aber tatsächlich, die Bänke ließen sich anfassen, die Leute hinter der passiv beleuchteten Theke sprachen mit uns und nachdem wir uns nochmals die Augen rieben und feststellten, dass wir alle den gleichen Traum hatten, entschlossen wir ihn gemeinsam zu genießen. Bei gedämpfter Musik wurde ein Martini getrunken, die zuvorkommende, freundliche Bedienung reichte uns gesalzenes Popcorn zum snacken und wir schlemmten Tapas, Kartoffeln mit Aioli und andere Köstlichkeiten. Hätte dieser Tag noch besser sein können?

Am nächsten Morgen arbeiteten Jessica und ich dann den nächsten Punkt auf unserer Want-to-see-Liste ab: Nuzulezu – ein Stelzendorf mitten im See. Vor 600 Jahren während eines Krieges entschlossen sich einige Menschen, den pazifistischen Weg einzuschlagen und um nicht mehr gefunden zu werden, wählten sie diesen schwer zu erreichenden Ort als neue Heimat. Es war schon echt beeindruckend und gleichzeitig kaum vorstellbar, wie hier das Leben sich auf den Holzbrettern gestaltete. Doch da bekanntlich nur der rostet, der auch rastet, machten wir uns weiter. Abendziel war die Green Turtle Lodge bei Dixcouve. Mal wieder in der Dunkelheit, erreichten wir New Akwidaa, von wo aus wir noch 3 km den Strand entlang laufen mussten. Ein netter Ghanaer, der mit uns im selben Tro-Tro saß, begleitete uns, da er besorgt war, uns könne etwas passieren. Die Lodge ist ein Pilgerpunkt für Ökotouristen und einfach bezaubernd. Diesmal wählten wir das Zelten am Strand – man kann der Natur nicht nahe genug sein. Nachts, als wir tief schliefen und Dagmar ruhelos am Strand entlang spazierte sah sie sogar eine Riesenschildkröte, denn diese legen im Dezember/Januar ihre Eier an den Stränden Ghanas ab.

Jetzt war es Montag und ich musste mich wieder auf den Heimweg machen. So liefen wir wieder nach New Akwidaa, um von dort ein Tro-Tro zur Angona Junction zu bekommen. Erst jetzt sahen wir, was den Abend zuvor die Dunkelheit als ihr Geheimnis noch versuchte zu verschleiern. Entlang des wunderschönen Strandes lagen ein paar traditionelle Einbaumboote vor Anker und als wir einige Meter weiter gingen, erstreckte sich eine riesige Lagune vor uns, die als natürlicher Hafen genutzt wurde. Alles sah so friedlich aus und es schien, als wäre hier alles im Einklang. Leider musste der Weg fortgesetzt werden und da leider weit und breit kein Tro-Tro in Sichtweite war, schnackte ich kurz mit einem LKW-Fahrer, der zufällig auch zur Junction wollte und der uns gemeinsam mit anderen Ghanaern auf der Pick-up Ladefläche mitnahm. Es war schon sehr lustig, vor allem die Reaktionen der Bewohner der verschiedenen Dörfer, die wir passierten, jedoch unterschätzten wir den Schmerz, der durch die Flugphase auf den holprigen „Wegen“ und den Aufprall auf das bloße Metall auf unsere Gesäße wirkte.

Es war ein wunderschönes Wochenende, doch ich freute mich auch schon wieder nach Hause zu kommen. Also verabschiedeten wir uns alle und ich begann wieder meine viel-stündige Fahrt in die Central Region. Abenteuerlich begann das Wochenende und ebenso endete es auch, denn meine Reise wurde um 1,5 Stunden verzögert, da wir mitten im Nirgendwo kein Benzin mehr hatten. Mal wieder war es schon dunkel. Es ist hier nicht die Frage ob man ankommt, sondern wann, jedoch habe ich mich daran in den letzten 5 Monaten schon gewöhnt, obwohl ich dennoch strahlte, als ich endlich vor dem Eingangstor meines Zuhauses stand.  

Dienstag, 17. Januar 2012

Bianca on Tour - Teil 1


Wie man an meinem Leben hier so sieht, mag ich es nicht ganz so „normal“ – dabei nehme ich mal keine Rücksicht auf die Definition des Wortes NORMAL. Also muss sich auch mein Reisen ganz in dieser Linie gestalten. Deswegen machte ich mich am Morgen des Freitag den 13. auf den Weg, mit Ziel Westen. Mal schauen wie weit ich komme. Das erste Tro-Tro fuhr von Swedru nach Takoradi, um einen kurzen Stop zum auftanken zu machen, Essensvorräte zu kaufen und einen der gefühlten 2 Visa-Automaten Ghanas anzusteuern. Leider zog sich diese kurze Pause etwas in die Länge, da der Geldautomat mir zwar die Quittung offerierte, jedoch lieber im Besitz des Geldes bleiben wollte. Mit dem Verweis, ich solle doch meine Bank benachrichtigen, wurde ich abgefertigt, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als tatsächlich Kontakt mit Deutschland aufzunehmen. Werden wir sehen, wie sich die Sache entwickelt… Aber was sollte ich zu diesem Zeitpunkt von Ghana aus noch machen? Deswegen nächstes Tro-Tro Richtung Elubo Grenze Côte d’Ivoire. Schweißgebadet wie noch nie, düste ich dahin, so dass mir in Anlehnung zu „In Frühtau zu Berge“:

„Mit Schweiß im Tro-Tro, wir fahrn fallera,
es tropft schon von der Decke, wir fahrn fallera,
wir haben ein paar Sorgen,
der Autoschaden blieb nicht verborgen,
drum dreht der Fahrer die Musik laut auf.“

einfiel. In Ainyinase wurde dann kurz vor Einbruch der Dunkelheit ausgestiegen und immer dem Ungewissen entgegen, dropten wir ein Taxi ins Innere des Ankasa-Nini-Suhien Nationalparks. Es wurde dunkel auf der Fahrt und bis auf eine Eule, die unseren Weg kreuzte, war nix, bis irgendwann ein verschlossenes Tor aus der Ferne auftauchte. Glücklicherweise war noch jemand da, der aus der Entfernung angerannt kam und uns aufklärte, dass es da nix zum schlafen gibt, wir könnten jedoch uns 2 km weiter fahren lassen, da dort Schlafmöglichkeiten existierten. Gut, man will ja auch nicht in der Dunkelheit im Regenwald alleine da stehen, deswegen „Los geht’s!“ Pustekuchen, denn nach 200 Metern auf dieser Strecke, sagte uns der Fahrer, dass er diese katastrophale Straße nicht fahren kann und wird (es war ja schon ein Wunder, dass wir ihn zu den letzten 6 km überreden konnten). Also standen wir da. Dem netten Mann vom Tor fragte ich mit großen Augenaufschlag, ob wir denn nicht bei ihm auf dem Boden schlafen könnten und als er nun so mitbekam, dass unsere Ansprüche nicht gerade die höchsten sind, erzählte er uns von noch einer Möglichkeit, denn im Nationalpark gäbe es Hütten, und er würde bestimmt auch noch eine Matratze auftreiben können. Gesagt, gehandelt. Es ist wunderbar. Ich sitze, genau in dem ‚Moment in dem ich diese Worte schreibe mitten im Regenwald vor unserer Hütte, zwar bin ich noch skeptisch bezüglich der nächtlichen Besucher aus der Familie der Insekten, doch sehe ich hier ein tiefschwarzes Firmament, welches getränkt von Sternen ist und lausche einem Grillen-Zirkaden-Konzert, dass so laut ist, dass es das Gehör kaum regulieren kann. Drumherum nur Wildnis. Ich bin gespannt, wie es morgen weiter gehen wird, denn um sechs kommt unser netter Herr vom Tor wieder und holt uns zum Baden im Fluss ab, auf dass dann Wanderungen durch die hiesige Vegetation folgen sollen. Es ist schon toll anders zu Reisen – von Abenteuern bekommt man dann nie genug und man findet sich gewiss nicht im Massentourismus wieder, sondern hier viel eher in der einsamen Besonderheit.

Donnerstag, 12. Januar 2012

.Meine Zauberbohnen - Und ich wachse und wachse


Gerade mache ich eine Mittagspause im Youth and Environment Office, höre Thurston Harris mit Little Bittle Pretty, wippe mit den Beinen im Rhythmus und strahle übers ganze Gesicht. Wer hätte gedacht, dass hier im Herzen Ghanas irgendwann mal ein Obroni-Mädchen zwischen Palmen und Häusern zu 50er Jahre Musik abdancet? Ich jedenfalls nicht, aber hier sind schon so viele Dinge passiert, dich ich in den letzten Jahren noch unter - Sehr schwer vorstellbar – eingeordnet hätte.

Alles begann schon während Ende des Studiums mit einer Veränderung in mir, die alles ins Rollen brachte. Zuerst mussten die langen Haare ab, um auch der Außenwelt kenntlich zu machen: Da ist was passiert – vor euch steht nicht mehr die kleine Anci, die vor kurzem noch die Zuckertüte oder das erste Mal ihren eigenen Führerschein in der Hand hatte. Sie hatte in den letzten Jahren wohl eher Zettel und Stift zwischen den Fingern, um sich gemachte Fehler zu notieren, sie zu reflektieren, nicht mehr zu wiederholen und daran zu wachsen. Doch mit der zunehmenden Beantwortung der Frage, wo komm ich gerade her, eröffnete sich zwangsläufig die nächste: wo will ich hin? Lange zurückgestellte Sehnsüchte und Bedürfnisse brachen so wieder in die Fassbarkeit des Bewusstseins und wurden mit jedem weiteren Tag präsenter. So kam es wie es kommen musste, mit dem Staatsexamen in der Hand packte ich meinen Rucksack und machte mich auf, den Horizont unter dem ich lebe zu ergründeln. 800km zu Fuß durch Spanien brachten mir dann Klarheit: Ich hab Fernweh und der Horizont, den ich momentan noch den meinen nenne, erdrückt mich. 

Was nützen einen Erkenntnisse, wenn man es nicht vermag sie zu verwirklichen? Also nicht gezögert, sondern gehandelt! Kaum richtig zu Hause, ging es wieder auf den Weg durch dieses und jenes europäisches Land, um dann, schlussendlich im August den Flieger gen Abenteuer zu nehmen.

Abenteuer daher, weil ich noch keine genau Vorstellung von dem hatte, was mich hier erwartet.
Abenteuer daher, weil es eine Möglichkeit ist zu schauen, was einem im Leben wichtig ist und was nicht.
Abenteuer daher, weil ich hier in der Fremde die Chance habe, genauer zu herauszufinden, wer und wie ich genau bin.

Die ersten drei Monate war das Zusammenleben hier eine große Herausforderung, da sich kein kleiner gemeinsamer Nenner finden lassen konnte, den ich mit der Familie gemein hatte. Doch während ich am Anfang noch meinem alten Muster des Akzeptierens folgte, wuchs ich proportional mit den sich häufenden Problemen, so dass ich die Stärke fand, nicht die Probleme zu Fokussieren, sondern Lösungsmöglichkeiten. Ich schrieb Mails, organisierte, hatte Gespräche und letzten Endes konnte ich ohne große Probleme ausziehen. Ein Schritt, der nicht anders zu benennen ist als mit: Der einzig Richtige. So fand ich eine Freundin, Vertraute und lebe in einer Deutsch-Ghanaischen Traum-WG in der ich ein Teil des Lebens bin und nicht weiterhin isoliert.

Prägend war auf jeden Fall auch meine Schulerlebnisse hier. Mal abgesehen von den Fächern die ich Unterrichtete, war das Schulgeschehen als solches sehr kontrovers. Auf der einen Seite standen die Kinder, mit denen die Arbeit wirklich viel Spaß machte, bei denen man jedoch lernen musste, sich nicht auffressen zu lassen, da sie manchmal regelrecht ausgehungert vor Liebe waren. Auf der anderen Seite standen das Bildungssystem, das Schulgeschehen und die Bestrafungshandhabung an meiner Schule, das nicht in meinen Kopf wollte und schon gar nicht beim Anblick dieser kleinen Wesen. Doch wie geht man damit als Ausländer bzw. Gast in einem fremden Land um, ohne respektlos zu wirken? Schlaflose Nächte, ruhelose Tage, Lösungsvorschläge, die nicht anerkannt wurden… Flucht nach vorne. Ich wusste nun also, dass es nicht richtig geduldet wurde, wenn ich einen anderen Unterricht machte und da ich es einfach nicht mehr ertragen hab, habe ich dafür gekämpft in einem Arbeitsplatz und Raum zu wirken bzw. mir selber zu schaffen, der die Rechte des Kindes in Ehren hält. Und so bin ich sowohl zum Youth and Environment Club, als auch zu ChiFuLi und zur High and Vocational School gekommen. 

Ghana heißt Entwicklung, nicht nur dass sich das Land immer mehr entwickelt und die Menschen, die in diesem Leben, sondern auch ich. Ich lerne hier immer mehr mich durchzusetzen, den Mund in den richtigen Momenten aufzubekommen und für das zu kämpfen, was mir wichtig ist! Ich bin ein Wesen zweier Welten geworden, in denen ich mich wohl fühle und zunehmend frei und sicher bewegen kann.
Ghana ist meine Zauberbohne an der ich wachse.

Dienstag, 10. Januar 2012

Der Youth and Environment Club Ghana – Selfproduction


Wie man bereits aus meinen bisherigen Posts herauslesen konnte, war das Projekt, in dem ich hier arbeiten sollte, nicht ganz so, wie ich es mir vorstellte.  Baumpflanzungen und andere Projekte wurden zwar nach und nach durchgeführt, jedoch ging das Programm nicht so schnell voran, wie man es in der Umsetzung aus Deutschland gewohnt ist.  Vor allem der Mangel an bezahltem Personal und Materialmitteln ließen die Umsetzung zunehmend verlangsamen. So kam es, dass ich zu Beginn zu erst in ein paar Schulen arbeitete, da ich im Nyakrom in einem Bürogebäude stand, dass bis auf einen Schreibtisch, auf welchem zahlreiche Akten gestapelt waren und einen Computer, leer war. Aber hey, das Glas ist halb voll und für mich stellte diese Situation eine perfekte Gelegenheit dar, meine Ideen kreativ und auf direktem Wege umzusetzen. Also… selbst ist die Frau und Ärmel hochkrempeln!

Ein Umsetzungsplan für Verwaltung und Organisation der nächsten Schritte und Projekte war schnell geschrieben und so machte ich mich daran, die zwei mal vier Wände nach einem Büro mit Seminarraum aussehen zu lassen. Aus Deutschland hatte ich zum Glück einige nützliche Dinge dabei. Die Tier- und Naturapothekenposter wurden aufgehangen, Handtücher, Seife, Waschschüsseln integriert und Arbeitsmaterialien wie Buntstifte, Schere, Kuli, Papier, etc. organisiert. Aufgrund einiger Sachspenden von Ravensburger, konnte ich sogar eine kleine Spielecke einrichten, in der die Kinder nach Schulende auch einfach mal nur Spaß haben können. Das einzige was jetz noch fehlt ist ein Seminartisch oder irgendwas auf dem man arbeiten bzw. eine Unterlage, auf der man sitzen und spielen kann. Aber die Not macht erfinderisch, so dass ich auch bezüglich der Lösung dieses Problems sehr zuversichtlich bin.

Die nächsten Schritte haben auch schon längst begonnen. Ziel des Clubs ist es ja nicht nur eine Möglichkeit der Freizeitgestaltung zu sein, sondern im Bildungssektor im Bereich Umweltarbeit tätig zu werden. Die unterschiedlichen Themenschwerpunkte werden aktuell ausgearbeitet und so werden demnächst nicht nur im Club Workshops durchgeführt, sondern der Weg führt mich direkt in die einzelnen, unterschiedlichen Schulen in der Umgebung.

Wenn ich mich nun hier im Büro umsehe, vorausgesetzt man lässt die deutschen Vorstellungen eines Büros mal außer Acht, dann bin ich ganz schön stolz, was man so ohne Geld aus dem Boden stampfen kann.   :-)

Freitag, 6. Januar 2012

Wer Liebe schenkt wird nicht ärmer, sondern reicher – Ein pädagogisches Projekt mit Herz


Im Leben begegnet man vielen Menschen, doch einige sind so besonders, dass sie aus der Menge hervorstechen und die man binnen kürzester Zeit ins Herz schließt, einen prägen und die man nie vergessen wird. Ich begegnete so einem Menschen in Ghana.

Kurze Zeit nachdem ich in dem ghanaischen Farmerdorf Nyakrom ankam, wurde ich gefragt, ob ich die Tochter von Mami sei. Als ich diese Frage immer häufiger hörte, entschloss ich mich diese anscheinend besondere Frau aufzusuchen, um die Bedeutung ihres Spitznamens zu ergründen. Ich musste gar nicht lange suchen bis ich zu einem großen Schild kam, an welchem Ottilie Ross Senior High & Vocational School stand und mich ein freundliches Gesicht anstrahlte, mich willkommen hieß und mich kurzer Hand zum Essen und gleichzeitig in ihr Leben einlud.
Die 67-jährige Göttingerin erzählte mir, dass sie bereits seit fast 9 Jahren in Nyakrom lebt. 2003 entschloss sich die gelernte Chemielaborantin, die am Max-Planck-Institut und an der Göttinger Universität in der Mikrobiologie und Hygieneforschung arbeitete, die Frühpensionierung zu beantragen, um hier in Ghana als Individualpädagogin zu arbeiten. Begonnen hat ihre Tätigkeit mit der Zusammenarbeit mit dem deutschen Jugendamt, um schwer erziehbare Jugendliche durch Intensivbetreuung und den kulturellen Austausch wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Doch zunehmend stellte sie fest, dass auch die Kinder vor Ort von einer besonderen Fürsorge profitieren würden. Aus diesem Gedanken entstand 2005 die NGO Obronikrom (Zusammenkunft der weißen Menschen), doch mit zunehmender Zeit und des interkulturellen Lernens entwickelte sich ihr Fokus und sie entschloss sich 2008 den Namen in ChiFuLi – Children - Future - Life zu ändern. In diesem Projekt wollte sie den Kindern die Möglichkeit geben, ihre Zukunft zu visionieren und durch die Förderung von Lesen, Schreiben und logischen und praktischen Denk- und Handlungsvorgängen bei den Schülern und Schülerinnen Grundlagen zu festigen und somit Zukunftsperspektiven zu offerieren. Wichtig dabei war ihr durch kreatives Arbeiten selbstständiges und langfristiges Denken auszubauen und durch Liebe und Verständnis ein Exempel zu statuieren, dass Erziehung und Bildung auch ohne physische Sanktionierung möglich ist. Diese Ziele versucht sie durch Einzel- und Förderunterricht in den unterschiedlichen Schulfächern und den zahlreichen Kreativtätigkeiten wie Basteln, Malen, Nadel- und Holzarbeit, aber auch Spiele und Hausaufgabenhilfe zu verwirklichen. Hinzukommend ermöglicht sie, dass der ausschließlich theoretischen ICT-Unterricht (Information-Communication-Technology) – da keine Computer in den Schulen zur Verfügung stehen – auch in der Praxis durchgeführt werden kann. Selbst nach Sonnenuntergang werden die Tore nicht verschlossen, da um diese Zeit auch noch Jugendliche kommen, um zu lesen oder zu lernen, da es in vielen Haushalten kein Licht gibt. Somit ist das ChiFuLi nicht nur Lern- und Zufluchtsort, sondern Tag für Tag, insbesondere beim jährlichen Fire-Side-Kinderfest, ein Raum, in welchem die Kinder und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.
Da Ottilie schon bei dem Aufbau des Projekts feststellte, dass die meisten Kinder wenn sie nachmittags zum Unterricht kommen, noch nichts gegessen haben, führte sie eine kostenfreie Verpflegung für alle ein. Finanzieren tut sie dies durch die Investition ihrer gesamten Rente, der Wiedernutzung gebrauchter Materialien und einiger Spenden. Ihr starker Wille und ihr großes Herz haben zu dem Erfolg dieses Kinderprojekts geführt, so dass sie mittlerweile 6 Lehrer beschäftigen kann, die 200 Kinder betreuen. Doch diese Frau steckt so voll Energie, dass aktuell der Ausbau des ChiFuLi’s in vollen Zügen läuft. Es wird ein weiteres Gebäude gebaut, da die Lehrräume derweil nicht mehr ausreichen. Probleme wie ein fehlender Wasser- und Stromanschluss des neuen Hauses, sowie der Diebstahl von Materialien und das nur sehr langsam voranschreitende Baugeschehen lassen sie aber nicht aufgeben, so dass aktuell weitere Ergänzungsprojekte geplant sind. So soll in dem neuen Haus eine Erste Hilfe, Unfall und Malaria Versorgung, sowie eine Hygiene-Gesundheitsberatung aufgebaut werden, da die nächste medizinische Versorgungsmöglichkeit sehr weit entfernt ist. Auch plant sie das Lernprogramm auch im Bereich der Kindergartenfürsorge zu etablieren, da die Kinder die fernab der Stadt leben zumeist keine Betreuungsmöglichkeit erhalten können, sowie die Zusammenarbeit mit dem Youth and Environment Club der Göttinger NGO Schulwälder für Westafrika, um auch in ihrem Projekt dem Umweltschutz zu avancieren.
Für manche wäre dies mehr als eine Lebensaufgabe, aber nicht für Ottilie Ross, weshalb sie neben dem ChiFuLi seit 2005 die Eröffnung einer Berufsschule für Mädchen plant. 2010 nahm dieser Traum durch eine größere Spende dann endlich konkretere Gestalt an und seit Oktober 2011 können 36 Schülerinnen die Ottilie Ross Senior High and Vocational School besuchen, in denen von 10 Lehrern nicht nur die regulären Fächer, sondern auch die Tätigkeit der Köchin, Schneiderin und Friseurin, nach dem Motto Creativity is our Pride (Kreativität ist unser Stolz), unterrichtet werden. Zusätzlich ermöglicht sie den Schülerinnen als erste Berufsschule durch den angebotenen Französischunterricht sich neue Zukunftswege zu erschließen. Momentan sind in dem Startprogramm nur 6 Schülerinnen eingeschrieben, jedoch wächst die Nachfrage und sie hofft bei steigender Schülerzahl den Lehrern mehr als nur den staatlich vorgeschriebenen Gehalt von umgerechnet 25€ pro Monat bezahlen zu können. Mit dieser Berufsschule versucht sie nicht nur jungen Mädchen – auch ohne Schulabschluss – Zukunftsperspektiven zu ermöglichen, sondern auch den Lehrern einen besseren Lebensstandart. Da ihr aber all das Engagement noch zu wenig ist, sind auch hier Projekterweiterungen geplant. So hat sie bereits ein weiteres größeres Stück Land gekauft, um auch Jungen zu einer besseren Lebensaussicht zu verhelfen und die klassischen Berufe des Tischlers und die aufstrebenden Berufe im ICT Bereich, sowie einen Sport- und Freizeitplatz anzubieten.
Die Zeit verging durch dieses interessante Gespräch mit dieser beeindruckenden Frau wie im Fluge und so war die Sonne schon seit vielen Stunden untergegangen und dennoch saßen noch einige Jugendliche gemeinsam mit uns am Tisch. Sie hatten für uns alle das typisch ghanaische Essen Fofu mit Soup gemacht und nachdem wir alle gemeinsam abwuschen, wünschten sie uns eine gute Nacht und verschwanden im Haus. Etwas verwundert fragte ich, ob sie denn bei Ottilie wohnen würden und sie erzählte mir daraufhin, dass sie 10 Kinder aus finanzschwachen Farmerfamilien unterstützt. Sie dürfen nicht nur bei ihr wohnen, sondern sie übernimmt auch die Schul- und Lehrmaterialkosten, was pro Kind ca. 100€ pro Monat sind. Da eine durchschnittliche ghanaische Familie zwischen 3 und 10 Kindern – und manchmal hinzukommend auch Pflegekinder aus der Verwandtschaft – und zumeist nur ein Gesamteinkommen von 250€ hat, ist es den meisten Eltern nicht möglich, ihren Kindern eine gute schulische Ausbildung zu finanzieren.
All dieses Engagement führte meinerseits zu der Frage, warum sie denn all das macht und mit einem freundlichen Lächeln strahlte sie mich an und sagte: „Die Kinder sind unsere Zukunft und nur durch sie kann ein Land zu mehr Selbstbewusstsein und Stärke kommen. In Deutschland wachsen wir sehr privilegiert auf und ich möchte zumindest für einen kleinen Kreis die Chancen ermöglichen, die auch ich erhielt.“
Genau wegen dieser Einstellung nennen sie die Einwohner Nyakroms nicht nur Mami, sondern haben sie durch die Chiefs in die Familie der Blauen Gruppe aufgenommen und sie als Führungsperson der selbigen gewählt. Als ghanaische Queen fungiert sie daher zusätzlich als Ansprechpartner und Sprachrohr für alle Weißen in Nyakrom.
Für mich war es so beeindruckend was eine einzelne Frau binnen 8 Jahre aufbauen kann, dass es mich mit Stolz erfüllt, Ottilie bei ihren Projekten helfen und bis Ende August 2012 bei ihr wohnen zu dürfen. Sie ist innerhalb kürzester Zeit nicht nur ein Vorbild, sondern auch eine sehr gute Freundin und auch meine Mami geworden. Doch je länger ich hier bin, desto mehr merke ich, wie sehr jeder Cent umgedreht werden muss und wie wichtig die Unterstützung durch Spenden ist, um die Zukunft der Projekte und gleichzeitig der Kinder Nyakroms zu sichern.
Da sie eine sehr stolze Frau ist und nicht selbst nach Hilfe fragen würde, versucht sie derzeit eine Nebeneinkunft durch die Vermietung der sehr schönen Gästezimmer aufzubauen, um all denjenigen einen Einblick in die Kinderarbeit vor Ort zu ermöglichen, die Lust auf einen abenteuerlichen Aktivurlaub haben oder einfach nur ein Stück vom Paradies der Menschlichkeit und Natur erleben wollen. Doch da dies aktuell erst anläuft, sind weiterhin Spenden unverzichtbar. Ich hoffe, dass Sie ebenso sehr von der Arbeit dieser Frau beeindruckt sind wie ich und sich vielleicht dazu entschließen durch eine Spende diese besonderen Projekte und das Prinzip des Altruismus zu unterstützen.
Leider ist ihre NGO nur in Ghana staatlich anerkannt, da die Anerkennung in Deutschland 10.000€ kostet und sie dieses Geld lieber den Kindern zukommen lassen will. Wer sich dazu entschließt aktiv zu werden und mitzuhelfen, hat daher zwei Möglichkeiten der Unterstützung: Eine direkte und schnelle auf:
Ottilie Ross
Kontonr:             258 502
BLZ:                       260 615 56 (Volksbank Adelebsen)

oder über eine steuerlich absetzbare Überweisung auf das Spendenkonto der Afrika AG:
Vineyard München e.V.
Kontonr:                             881 560 5
BLZ:                                       700 205 00 (Postbank München)
Verwendungszweck:    Chifuli   

Ich begegnete einem wundervollen Menschen mit Namen Ottilie Ross, die mich lehrte, wie viel man durch Liebe und Engagement erreichen kann und die ich nie wieder vergessen werde.
Kontakt unter:
Email:                   ottilieross@yahoo.de
                               http://www.youtube.com/watch?v=Ph7xs0M78No
Facebook:          ChiFuLi – Children – Future - Life