Dienstag, 30. August 2011

Spiel mir das Lied vom Tod


Ich hab lange überlegt, ob ich diesen Beitrag wirklich schreiben soll. Würde er nicht vielleicht ein Vorurteil in den Köpfen der Leser bestätigen? Ja bestimmt, aber das soll er nicht!!! Es ist eine witzige Geschichte, die mich eine Weile beschäftigte und die sich an jedem Ort der Welt abspielen könnte und es wahrscheinlich auch tut – ausgenommen der Arktis. Also erfreut euch an der Story und bitte vergesst nicht, ich schreibe gern witzig, das heißt mit kleinen und größeren Übertreibungen und es ist mal wieder eine Single Story!

Als Robin und ich hier in Nyakrom ankamen fragte er mich, ob ich denn vor irgendetwas Angst hätte. Selbstverständlich nicht – dachte ich zu dem Zeitpunkt zumindest. Zu unserer Unterkunft gehört eine große, geräumige Küche, die allerdings schon mehrere Jahre nicht mehr benutzt wurde. Am ersten Wochenende was wir hier verbrachten, war die Familie Sey zu einer Hochzeit eingeladen und daher nicht im Haus. Neugierig und umgestaltungswütig wie ich nun einmal bin, nutzte ich die Gelegenheit, um mich in der Küche zu Recht zu finden. Als ich in die Schränke schaute und Kartons mit brauchbarem Inhalt fand, wollte ich ein bisschen sortieren und alles griffbereiter hinstellen. Beim Ausräumen des Geschirrs, insbesondere der Gläser, viel mir aber auf, dass diese wie bei einem typischen, mir bekannten Frühjahrsputz im Gartenhäuschen aussahen. „Naja, dann spülst du die mal schnell ab und erledigt.“, dachte ich mir. Nicht ganz. Als ich den ersten Karton aus dem Schrank nahm, krabbelte eine verschreckte Kakerlake unkontrolliert auf mich zu. Abgesehen davon, dass ich barfuß war und sich in Zehntelsekunden die Vorstellung in mir etablierte, ich könnte auf sie treten und was das dann für ein ekelhaftes Gefühl und Geräusch wäre, da sie bereits eine Horrorgröße von mindestens 4cm angenommen hatte, ließ mich ihre bloße Erscheinung zum quieken und davon laufen bringen.

Hallo, mein Name ist Bianca und ich habe Angst vor Kakerlaken.
Schreiend rannt ich also zu Robin, der gar nicht wusste wie ihm geschah, als ich schweißgebadet an seine Tür hämmerte. Er, der starke Mann, musste nun seine Rolle als Beschützer wahrnehmen und das kleine Tierchen, welches er sehr interessant fand, aber mir wie in King Kong Größe erschien, entfernen. Ich wollte zwar nicht, dass es in der Küche ist, aber totgemacht sollte es auch nicht werden. Daher entschieden wir es einzufangen oder besser ich entschied das Robin es einfängt, während ich einen ausreichenden Sicherheitsabstand von 150m einnahm. Im Glas sah das Tierchen wirklich sehr spannend aus, aber wahrscheinlich auch nur, weil ich wusste, dass es so nicht das gleiche tut, wie in meinen Alpträumen und zwar mir spontan ins Gesicht zu springen.

„Ignorance is a bless!“ Ein wahrer Spruch aus der Matrix! Hätte ich das erste Tierchen niemals gesehen, wäre mir alles egal gewesen. Da sich meine Unwissenheit jedoch innerhalb kürzester Zeit in eine Riesenkakerlake verwandelte, konnte ich nicht anders, als alles auszuräumen, auszuwischen, zu spülen und zu sortieren. Da sich mein Weg gleich zu Beginn beim Auspacken des ersten Kartons wieder mit einem Tierchen kreuzte, beauftragte ich Robin auszuräumen.
Während in meinem Kopf die Dornenbuschballen im Rhythmus des Windes durch die leeren, staubigen Straßen der Wohnung rollten, aus der Ferne das Lied vom Tod gespielt wurde und die Augen vor Anspannung zusammengekniffen von rechts nach links schnellten, spuckte Robin den Kautabak herausfordernd aus und zückte heldenhaft wie John Wayne seine Colts namens Schuh und Zeitung, um den Schurken todesmutig ins Anglitz zu blicken. Als die Waffen knallten, musste nur noch die Schweinerei, die das Duell hinterließ beseitigt werden. Das ganze Spektakel dauerte ca. 5 Stunden und alles was übrig blieb war Schall und Rauch. Unser verursachtes Chaos wurde behoben und ich gehe jetzt unglaublich gerne in die Küche und koche.

Hallo, mein Name ist Bianca und ja, ich habe Angst vor allen größeren Insekten, die unkontrolliert in meine Nähe kommen.

Montag, 29. August 2011

Omo, Handys und andere Besonderheiten


Heute musste ich der harten Realität ins Auge sehen: Ich bin aus Zucker. Da die Bezeichnung Kläckerspatz für mich noch milde ausgedrückt ist, ließ es sich heute leider nicht vermeiden Unmengen an Klamotten zu waschen. Also, los geht’s! Ich nahm zwei Schüsseln. In die eine schüttete ich Omo – eine afrikanische Chemiekeule, die wahrscheinlich auch die schwarzen Flecken aus dem Fell des Dalmatiners herausbekommen würde – und in die andere Wasser, um das Zeug wieder aus der Kleidung zu bekommen. Möge das Spektakel beginnen: Ich schruppte, schruppte und schruppte. Das Ergebnis dieser Aktion ist beschämend! Die Kleidung - nicht wirklich sauber, dafür fehlt mir die oberste Hautschicht. Auch wenn Omo oder besser gesagt meine Anwendungsweise des „Wundermittelchens“ nicht die Flecken heraus bekam, so schaffte es tatsächlich meine Finger zum bluten zu bringen, da einfach die Haut weggeätzt wurde. Ein paar Stunden später hab ich mir deshalb einfach mal gleich die dicksten Spühlhandschuhe gekauft, die ich finden konnte. Dieses Erlebnis ließ mich mal wieder an mir zweifeln. Wie zum Geier schaffen es die ghanaischen Frauen die Kleidung wieder strahlend weiß bzw. leuchtend zu bekommen und trotz des handschuhfreien Schrubbens intakte Hautschichten zu besitzen? Bewundernswert!

Als ich vorhin in Swedru war, um mir die Handschuhe zuzulegen, unterhielt ich mich kurz mit einem schätzungsweise 10-jährigen Jungen namens Mohammed. Nach dem üblichen Austausch über das jeweilige Befinden, fragte er mich nach meiner Handynummer, nannte mir seine und meinte, immer wenn ich in Swedru sei, dann solle ich ihn anrufen, da er sich ja dort auskenne und mir jederzeit, wenn ich was suche, helfen könnte. Eine ganz normale Szene hier! Wer Ghana mit einem postkolonialistischen Mitleidsblick unter dem Aspekt eines „Drittenweltlandes“ betrachtet, der irrt. Natürlich gibt es große Unterschiede, vor allem im Bereich der Städteplanung und allem was dazu gehört, aber Ghana ist wie ein Schmetterling, der gerade dabei ist sich zu entpuppen. Jeder ist mobil erreichbar und man kann hier alles bekommen, was man sich nur vorstellen kann. Die Handyetablierung hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass das Land den Schritt zum Festnetz einfach übersprungen hat, denn dieses gibt es hier eigentlich gar nicht. Deshalb ist eine Verbindung zur Heimat via Internet auch nur durch einen – zumeist nur spärlich funktionierenden – Stick möglich, der im Vergleich zu Deutschland unglaublich teuer ist. Das Telefonieren ist dafür umso billiger! Daher ist es nicht wunderlich, dass die Ghanaer eine ausgeprägte Gesprächskultur entwickelten. Man tauscht hier die Nummern genauso großzügig wie ein Lächeln. Jeder hat die Nummer von jedem. Die Handys bimmeln ununterbrochen. Während wir Deutschen eine Nummer mit einer ganz bestimmten Intention wählen, so machen das die Leute hier aus dem Grund, um einfach mal kurz zu erfahren, wie es dir geht. Ein kurzer Wortwechsel um die Bekanntschaft nicht einschlafen zu lassen und dann wird wieder aufgelegt. Ganz nach dem Motto: Kleine Gespräche erhalten die Freundschaft.

Die Freundschaft lässt sich hier aber auch noch ganz anders erhalten: „I love the ghanaian food!“ So erhält man auf schnellstem Wege nicht nur ein freundliches Lächeln, sondern hat den Auftakt zu einer netten Konversation gemacht. Das Essen ist hier sehr lecker, auch wenn nicht so abwechslungsreich wie in Deutschland. Die Mahlzeit besteht zumeist aus Massen von Kohlenhydraten, die gechopt werde. Alle die mit dem Wort nichts anfangen können: Mit den Fingern der rechten Hand kleine Bällchen formen und dann einfach schlucken. Dies macht man zumeist mit Fufu, der zwar zumeist hier aus der Maniok-Wurzel besteht, aber auch des Öfteren aus Yams, Plantains (Kochbanannen), Mais oder anderen stärkehaltigen Dingen gemacht wird. Das ganze wird dann in variierende Soßen getunkt. In den Städten findet man daher auch zahlreiche Chop Bars. So gern ich Fufu hier auch esse, ist mir die Konsistenz des ganzen doch noch ein bisschen fremd. Am liebsten esse ich hier einfach gekochte Yams oder Plantains und die am liebsten mit einem Gemüse, dass aussieht wie Rhabarber, schmeckt wie eine leckere Mischung aus Grünkohl und Mangold und dessen Namen ich gerne nennen möchte, aber permanent vergesse. Ebenso ergeht es mir mit einem anderem Essen, dass ich hier sehr mag: gesprochen wird es Keekee. Die in Maisblätter eingewickelte Masse, ähnelt vom Geschmack unserem deutschen Mischbrot oder besser dem Sauerteig. Diese wird dann mit einer feurigen roten Pfeffersoße serviert. Zu den Meisten großen Mahlzeiten wird dann getrockneter Fisch oder frittiertes Hühnchen gereicht. Überall findet man auch Frauen, die eine Art Kuchen oder gefüllte Teigtaschen verkaufen. Ich habe sie noch nicht probiert, jedoch gehört, dass man zu ihnen sehr viel Flüssigkeit benötigt, um sie unterschlucken zu können. Wenn ich jedoch ehrlich bin, dann ernähre ich mich –wenn ich selber koche – hauptsächlich von Reis. Der geht schnell und einfach, denn Fufu zumachen, ist eine mehrstündige Angelegenheit (die ich aber wahrscheinlich in den nächsten Tagen lernen werde ;-) ). Ansonsten ziehe ich es vor mich hauptsächlich von Obst zu ernähren, denn das ist hier zum Sterben gut. Süß, saftig und lecker. Von wegen „peel it, cook it or forget it“! Meinem Magen ging es noch nie besser. Auch auf Eis und Salat reagierte meine resistente Verdauungsmaschine mit einem „ätschibätsch“. Leider kommt der hier viel zu kurz, da er selten und teuer ist, was mich ihn sehr vermissen lässt! Aber was solls, nach dem Jahr kann ich ja immer noch zum Wiederkäuer mutieren.  *lol*

So… jetzt nur noch schnell das letzte Stück Ananas verspeisen, Hände mit Bepanthen einschmieren, Handy aus und ab ins Nest! Gute Nacht!

Sonntag, 28. August 2011

Accra und Cape Coast


Ich liege gerade ziemlich erledigt unter meinem Moskitonetz in meinem vertrauten Bettchen. Das war die letzten Tage nicht so, da ich mich dazu entschloss, ein wenig das Land zu erkunden. Da Thibaut, mein französischer, ehemaliger Gastbruder auch gerade in Ghana ist, haben wir beschlossen uns mal zu treffen. Meetingpoint war sein derzeitiger Wohnort Accra. Also machte ich mich Freitag früh auf den Weg.

Zuerst musste ich nach Swedru (ca. 20 Minuten Autofahrt entfernt), da von dort die ganzen Trotros fahren. Dort angekommen stieß ich auf das erste Problem: Welcher dieser Kleinbusse, die scheinbar unkoordiniert sich zu Hauf an einer Tankstelle sammeln, geht nach Accra? Da die Ghanaer aber wahnsinnig hilfsbereit sind, beraten sie dich wo sie nur können. Ich stand also nur 30 Sekunden planlos-schauend dort und schon wurde ich gefragt, wo ich denn hin will. Ein wenig gedulden und schon kam das nächste. Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren nämlich hier ein bisschen anders als in Deutschland. Man geht einfach zu dem entsprechenden Fahrzeugsammelpunkt, je nachdem in welche Richtung man reisen will, und steigt in eines der gerade vorhandenen Trotros ein. Wenn es voll ist wird losgefahren. Wenn wieder jemand ausgestiegen ist, dann sorgt der sogenannte Nate der auch mitfährt, durch lautes Rufen während der Fahrt dafür, dass alle wissen, wo es hingeht und man kann je nach Belieben einfach auf der Straße hinzu steigen. Da so die Strecke tagtäglich permanent und immer wieder gefahren wird, weisen die Autos euphemistisch ausgedrückt diverse Verschleißerscheinungen auf. Da sie aber mit 2,5 Cedi (1,25€) sehr günstig sind und verlässlich, nimmt man das sehr gern in Kauf :-)

In Accra habe ich dann im Hostel Salvation Army geschlafen. Ich ging nichts erwartend in das 10-Bett-Zimmer und dann… kam Richard. Er war bereits im Zimmer und begrüßte mich mit einem taffen „Hey“. Richard, wie sich herausstellte, ist Australier, der seit 10 Monaten den Kontinent Afrika bereist. Da wir uns beide auf Anhieb super verstanden, sind wir zunächst einen Kaffee trinken gegangen und später stießen dann Thibaut und zwei Deutsche, die gerade ein Praktikum im Bereich Mikrofinanzen machen, zu uns. Er hatte wirklich super Geschichten über die Orte an denen er schon gewesen ist und die Leute, die er auf seiner Reise traf. Nach einem Club Bier fokussierte sich unser Gesprächsinhalt auch auf philosophische Inhalte. Ein Treffen der lebensbereichernden Art :-)

Da in der Nacht 3 vollkommen betrunkene Engländerinnen auch in unserer Bleibe schliefen oder besser sich nur dort einfanden, kam mein Schlaf etwas zu kurz und ich war Samstag früh ziemlich gerädert. Denn den Mädels fiel um 4 Uhr morgens nichts besseres ein, als ein Witz über Chicken nach den anderen zu machen und sich über ihren nicht erkennbaren Humor, direkt vor meiner Zimmertür in Tinitus-Lautstärke, lustig zu machen und zu lachen oder besser zu schreien. Als das Chicken-Spektakel endlich ein Ende fand, haben sie noch eine weitere Stunde gesungen und nichts konnte sie davon abbringen. Man könnte meinen, dass endlich der ersehnte Schlaf kam: Nein. Halb sieben stand eine Grundschulklasse, die scheinbar auch im Hostel schlief, auf dem Innenhof, also praktisch wieder vor der Zimmertür. Schlaf = zu Ende. 

Carpe diem dachte ich mir und begann den Tag ganz gemütlich. Nach einer schönen kalten Dusche ging ich mit Richard frühstücken. Bei einem grandiosen Smoothie machten wir direkt da weiter, wo wir abends endeten: Philosophie. Was ist Sprache, was bedeuten Namen, was ist Identität, etc. Eigentlich wollte ich mich frühestmöglich ins nächste Trotro setzen und weiter nach Cape Coast fahren, um dort wieder Thibaut (der bereits um 7 losfuhr) und 2 Französinnen zu treffen. Da die Gespräche aber so vereinnahmend waren, saßen wir nach bis mittags und ich erreichte das Tagesziel erst gegen 16 Uhr. 

Als Alleinreisende und vor allem als Mädchen ist es gar nicht so leicht schnell von A nach B zu kommen. Jeder will einem helfen, ihn einladen und sich unterhalten. Für eine ca. 15 minütige Strecke zu Fuß brauchte ich fast 3 Stunden, bis ich endlich zu den andern stieß. Während dieser Zeit habe ich aber super viele spannende Dinge erlebt. Es begann alles mit: “Hey, how are you? What do you looking for?....” Letzten Endes wurde mir dann die halbe Familie vorgestellt, ich wurde mit zu Freunden in ein Spot genommen, ein Palmenwein und Mandingo wurden mir ausgegeben, man unterhielt sich über Ghana und Deutschland, und und und. Ich habe mich gefragt: Warum machen wir das nicht auch in Deutschland? Das Leben wäre so viel angenehmer! 

Abends saßen wir noch mit ein paar anderen Leuten in einer Tanzbar und plauderten bis eine weitere spannende Nacht begann, in der ich wieder nicht schlief. Wieder ca. um 4 Uhr ertönte ein extrem lautes Geräusch. Zunächst dachte ich, es sei eine Kirchenglocke. Als diese aber nach 20 Minuten immer noch nicht verstummte war ich mir fast sicher: Es brennt und das Hostel muss evakuiert werden. Nichts geschah, nach insgesamt ner halben Stunde war das Geräusch verschwunden und mir war es auch ziemlich egal, wo es her kam. Der Schlaf dauerte aber nicht sehr lange, da wir an einem Festtagswochenende in Cape waren und ein Umzug bereits mit Pauken, Trompeten und Gesängen um 7 Uhr die Straße am Hostel passierte. Naja, Morgenstund hat Gold im Mund! So hatten wir mehr Zeit die Sklavenburg von Cape zu besichtigen und uns in den dunklen Gemäuern am eigenen Leib von der Unmenschlichkeit der damaligen Zeit zu überzeugen. Danach ging es wieder Heim und jetzt liege ich hier.

Eines will ich aber noch ganz stark betonen. Ich bin dankbar über all die freundlichen Menschen, die ich hier treffe. Sie nehmen einen immer im wahrsten Sinne des Wortes an die Hand und zeigen einen alles. Ohne sie würd ich das ein oder andere Mal wahrscheinlich Stunden im Kreis gehen oder mich gar nicht zu Recht finden. Alles was ich hier schreibe ist lediglich eine Single Story und zwar meine. Jeder kann etwas anderes erleben und ich will mit meinen Worten bestimmt keine Stereotypen bestätigen oder falsche Eindrücke vermitteln, ich will euch lediglich an meinen ganz persönlichen Erfahrungen, vielleicht auch manchmal auf eine lustige Schreibweise, teilhaben lassen. Das sollte auf diesem Blog nie vergessen werden!
Bis zur nächsten kleinen Single Story!  

Freitag, 26. August 2011

Ankunft in Ghana


Vom Hannoverischen Flughafen geleitete mich der KLM Flieger zunächst nach Amsterdam, von wo aus es anschließend auf direktem Weg nach Accra, der Hauptstadt Ghanas, ging. Nach achtstündigen Flug, zwei Stunden Zeitverschiebung und drei fein-säuberlich abgepackten Snacks, kam ich  endlich um acht Uhr Ortszeit im Wunschland an. Das Passieren der Passkontrolle erwies sich jedoch als äußerst problematisch. Vor der Einreise muss man einen digitalen Fingerabdruck von sich machen lassen, was bei allen einwandfrei funktionierte – nur nicht bei mir. Meine durch die Neurodermitis bedingen nassen Hände ließen das Bild immer wieder verwischen oder besser in Wasser ertrinken und die hohe tropische Luftfeuchtigkeit wirkte auch nicht gerade ergebnisfördernd. Die Schlange hinter mir wurde immer größer und das Fluchen der Leute, die an ihr anstanden und ohne hin durch den langen Flug schon strapazierte Nerven hatten, immer lauter. Nachdem mir ein weiterer Kontrolleur ein kleines Handtuch brachte, konnte ich nach einer gefühlten halben Stunde weiter gehen und mein unzähliges Gepäck in Empfang nehmen.

Diesen Abend sollte es noch nicht in mein neues zu Hause gehen, da der Weg von Accra bis Nyakrom ca. drei Stunden Fahrzeit benötigt. Daher holte mich Dan, der in einer ghanaischen Schule arbeitet ab und ich nächtigte in seinem Haus mit zwei anderen Freiwilligen, die während des Jahres bei ihm wohnen werden.

Da ich als kleiner Tollpatsch so manches Missgeschick förmlich magnetisch anziehe, begann mein erster Morgen in Ghana ziemlich eingeschränkt. Am Vorabend dachte ich zwar daran, mich mit der Chemiekeule Antibrum einzuschmieren, doch dass das Gesicht auch notwendig ist, da es ja besonders schutzlos aus der Bettdecke hervor schaut, vergas ich bedauerlicherweise. Beim ersten morgendlichen Augenaufschlag im Gastland bemerkte ich sogleich, dass ich nach diesem auch nicht viel mehr sehen werde, da mein ganzes linkes Auge bis zur Unkenntlichkeit zugeschwollen war. Da war sie wieder, meine allergische Reaktion gegen so manches Insektengift. So kam es, dass eine Quasimodo ähnliche Gestalt mit Prednisolon intus und Kühlakku im Anschlag mitten in Accra auf jemanden wartete, der sie abholt. Nach einigen Verzögerungen ging es dann los und ich schaffte es tatsächlich im Fokus des noch funktionstüchtigen rechten Auges die vorbei sausenden Menschen und Landschaften zu bewundern.

Es ist so, dass nur die großen Hauptverkehrswege ausgebaut sind. Die restlichen Verbindungen erscheinen eher wie ein Löcherkäse der ein kräftig durchschüttelt, bei dem ich mich fühle, als sei ich wieder in Bleicherode und führe entweder die Hauptstraße von oben bis zur Schäferkreuzung oder die Obergebrastraße. Man sieht zwar auch zahlreiche neue und luxuriöse Autos, jedoch verleihen die öffentlichen Verkehrsmittel in Form von Trotros oder Taxis, mit ihrer blechernen Karosserie und Federung, dem von A-nach-B-Kommen einen ganz besonderen Scharm. Zwar muss man sich als Bürokratendeutscher erst einmal an den Mix aus nicht deutlich zu erkennenden Verkehrsregeln und Hupen gewöhnen, jedoch ist man dann nur noch von dieser Art der Fortbewegung begeistert! 

Endlich in Nyakrom, meiner neuen Wahlheimat, angekommen, begrüßte mich gleich Familie Sey. Sie lebt in demselben Haus wie ich. Nach herzlichem Austausch bezog ich erst einmal mein Zimmer. So, da wohne ich nun für ein Jahr: Schick! Es ist ein ca. 12m² großer, grün gestrichener Raum. Wenn man hinein geht befindet sich linker Hand ein Fenster, welches den Blick auf einen kleinen Innenhof freigibt. Rechts ist zunächst der Kleiderschrank und dann mein vom Moskitonetz überhangenes Bett und genau gerade aus ein kleiner Schreibtisch.


Ich bin angekommen und doch noch ganz am Anfang meines Weges.

Donnerstag, 25. August 2011

Auf den Weg nach Ghana


Auf den Weg nach Ghana

Mit jedem verstrichenen Tag rückte der 16. August 2011 immer näher. Für die meisten ein gewöhnlicher Sommertag, der wie jeder andere Werktag auch vergehen wird. Für mich war es jedoch ein ganz besonderer Tag, denn er trug die Bedeutung eines Abschieds und Beginns in sich. An diesem Tag sollte mein einjähriges Abenteuer beginnen, welches mich fernab der deutschen Grenzen bringen sollte.

Die Uhr tickte immer schneller. Noch so viel Organisatorisches musste erledigt und noch so viel Freunde verabschiedet werden, dass ich mich, die Taschenuhr in der Hand haltend, wie das weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland fühlte. „Ich komm zu spät!“ Hab ich was vergessen? Was könnte ich noch brauchen? Und schließlich: Wo zum Teufel kommen die 5kg Übergepäck her? Eingepackt, umgepackt, ausgepackt: ein Chaos und dennoch nahm das Wirrwarr irgendwann Struktur an.

Vor einem neuen Lebensabschnitt erfolgt auch immer ein Abschied. In meinem Falle zog sich dieser über mehrere Tage hinweg. Freunde und Familie mussten noch besucht werden, um sich gegenseitig für das kommende Jahr alles Gute und vor allem Gesundheit zu wünschen und gemeinsam einige verbindende, freundschaftliche Tränen vergossen werden, die Ausdruck der geteilten Zuneigung sind. Am Tag meiner Abreise erreichte dann die Luftfeuchtigkeit in meiner Umgebung, insbesondere im Auto auf den Weg zum Hannover Flughafen ihr Optimum. Ein Teil meiner liebsten Vertrauten nahm sich Zeit, mit mir die ersten Schritte in das für mich noch unbekannte Leben zu gehen. Zwei starke Empfindungen durchzogen mein Gemüt: Zum einen der Wunsch, sich wieder in das Auto zu setzen und zurück zu Familie und Freunden zu fahren, das bisherige Leben fortzusetzen, neue Beziehungen zu vertiefen und sich in der Sicherheit des vertrauten Lebens zu wiegen. Zum anderen existierte aber ein beherrschender Wunsch mich in den Flieger zu setzten, das deutsche Vaterland hinter mir zu lassen und voller Neugierde und Freude mich auf neue Erfahrungen und Eindrücke einzulassen und mich von der Ungewissheit treiben zu lassen. Fest in der Überzeugung, dass die wichtigen Freundschaften und Beziehungen die einjährige Feuertaufe unbeschadet überstehen werden. Also ging ich gestützt durch meinen Glauben und Kompressionsstrümpfe in den Flieger, der mich in ein für mich fremdes Land bringen sollte.